Es ist nicht leicht, ein Narr zu sein

Ist selbst der Karneval schon auf Linie?

„Um in der Welt Erfolg zu haben, muss man närrisch scheinen und weise sein“
Charles de Secondat, Baron de Montesquieu

Was ich vom Karneval halte

Um es vorweg zu sagen. Ich bin kein großer Fan vom Karneval. Insbesondere der Straßenkarneval geht mir ziemlich auf den Zeiger. Zeitlich festgelegte Fröhlichkeit, saufen bis zum Stillstand der Augen, das ist nicht das, was ich unter Freude verstehe. Und wenn man dann am nächsten Morgen aufwacht und neben sich schaut, dann fragt sich der/die eine oder andere, wo habe ich denn die oder den aufgegabelt. Außerdem hast du gestern noch deutlich besser ausgesehen. Nein, dafür war und bin ich nicht zu haben.

Sicherlich bin ich in der Kindheit zu Fastnachtsumzügen gegangen. Auch in Mainz war ich öfters. Aber da ging es uns Kindern weniger um den Karneval an sich, sondern vielmehr um die vielen Bonbons, die da geworfen wurden. Dass das dann noch die billigen waren, spielte für uns Kinder eher eine untergeordnete Rolle.

Nach wie vor bin ich aber durchaus ein Fan des Sitzungskarnevals. Ich bin ein Freund des politischen Vortrages, aber dazu später mehr.

Ein Blick in die Geschichte

Im Mittelalter fand man in größeren Ritterhäusern häufig Hofnarren. Diese dienten natürlich der Unterhaltung. Aber ihre Bedeutung ging deutlich über die der normalen Gaukler hinaus. Diese Hofnarren konnten durchaus intelligente Beobachter des Weltgeschehens sein. Sie waren auch durchaus befugt, sich kritisch zum politischen Tagesgeschehen zu äußern. Auch Kritik gegen ihren Herrn war möglich. Sie musste halt entsprechend verpackt sein. Mittelalterliches Kabarett halt. Man sprach ihnen die Narrenfreiheit zu. Natürlich dürfte der eine oder andere von ihnen trotz seiner Narrenfreiheit belangt worden sein. Wenn ich mich aber richtig erinnere, war das nicht die Regel.

Der politische Vortrag

In dieser Tradition sehe ich eigentlich den politischen Vortrag im Sitzungskarneval. Ich erinnere mich noch gut an Redner wie Jürgen Dietz, der Bote aus Bonn, oder auch Friedrich Hoffmann, der uns als Till immer den Spiegel vorgehalten hat. Auch der ehemalige Sitzungspräsident Rolf Braun gehört zu dieser Garde. Selbst Gesangsgruppen wie die Gonsbachlerchen haben politische Themen aufgegriffen.
Natürlich gab und gibt es auch Vorträge, die eher der Kategorie Klamauk zuzuordnen sind. Aber natürlich sollen solche Sitzungen auch unterhaltsam sein.

Was haben diese Redner die Politik teilweise gegrillt. Da wurde auch keine Rücksicht darauf genommen, ob die jeweilige Person im Publikum saß. Das wurde eher zum Anlass genommen, noch einmal zusätzlich draufzuschlagen. Ja, diese Politiker wurde von den Vortragenden dann auch noch persönlich angesprochen. Damit sie auch jeder gesehen hat. Delegitimierung des Staates war damals noch kein Thema.

Die Entwicklung

Auch heute gibt es noch solche Redner, beispielsweise Andreas Schmitt als der „Obermessdiener“. Der ist aber die beiden letzten Jahren schon nicht mehr aufgetreten. Warum auch immer.

Ich habe den Eindruck, dass der politische Karneval deutlich an Schärfe verloren hat. Irgendwie ist das auch Nachvollziehbar, weil die Sendeanstalten immer mehr Einfluss auf die Sitzung nehmen. In meiner Kind- und Jugendzeit, hat die Sitzung „Mainz bleibt Mainz“ die Sendezeit regelmäßig überzogen. Da wurden Zugaben gegeben. Die politischen Redner waren in der Lage, als Zugabe noch weitere Verse hinzuzufügen. Ja, eine Stunde länger war keine Seltenheit.

Diese Überziehung war dann das Erste, was die Sender eingeschränkt haben. Zugaben gab es keine mehr. Auch die Zeiten für die Reden wurden genau getaktet. Ob ARD und ZDF auch schon Einfluss auf die Inhalte genommen hat, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob das heute so ist. Es ist aber erkennbar, dass die Vorträge nicht mehr die Schärfe früherer Zeiten haben. Irgendwie ist auch im Karneval trotz Narrenfreiheit alles weichgespült.

Was mir in diesem Jahr gefehlt hat

Was hätte es doch für Themen gegeben. Straßenkleber, Deutschland als CO2-Spitzenreiter in Europa, Der Impfwahnsinn der vergangenen Jahre, die verfehlte Corona-Politik, die Auswirkungen der Sanktionspolitik oder auch die Fehler in der Migrationspolitik, um nur eine kleine Auswahl von Themen zu geben. In all diesen Bereichen hätte es kritische Nachfragen geben können. Es kam aber nichts dergleichen.

Auch über Politiker hätte man berichten können, vielleicht sogar müssen. Mit Entgleisungen unserer Annalena hätte man eine ganze Sitzung füllen können. Auch Habeck und Lauterbach hätten genügend Angriffsfläche geboten. Nur zum Verständnis, die wären in den Siebzigern und Achtzigern Ziel von beißendem Spott geworden. Und heute? Eigentlich nichts. Wenn überhaupt, nur ein kleiner Nebensatz.

Früher war der Sitzungskarneval in Mainz eigentlich das Beste, was der politische Karneval zu bieten hatte. Und ich habe das bis vor wenigen Jahren auch noch immer so gesehen. Aber seit Beginn der Corona-Krise hat die Qualität deutlich nachgelassen. Man konnte irgendwie feststellen, das die Vortragenden nicht mehr alles gesagt haben, was sie eigentlich hätten sagen können oder wollen. Es wirkte irgendwie verkrampft. In diesem Jahr habe ich aus diesem Grund „Mainz bleibt Main“ vorzeitig ausgeschaltet. Das ist nicht mehr die Sendung, die ich einmal kannte.

Gestern habe ich dann mal in die Sendung „Karneval in Köln“ reingeschaut. Ich war überrascht. Bisher war die Kölner Prunksitzung mehr für Klamauk bekannt. Doch diesmal war das politische Element stärker als in Mainz vertreten. Natürlich nicht so scharf und bissig, wie in früheren Zeiten. Es war aber wenigstens noch vorhanden. Ich habe diese Sendung dann auch nicht bis zum Ende geschaut. Das war aber nicht der Sendung geschuldet. Ich hatte zwei Tage Enkel-Dienst, und da war ich dann ziemlich kaputt. Ich habe es einfach nicht mehr geschafft.

Fazit

Der einstmals bissige politische Karneval ist zahnlos geworden. Inwieweit die links-grünen Sendeanstalten darauf Einfluss nehmen, weiß ich nicht. Ich bin mir aber sicher, dass gewisse Themen nicht angefasst werden dürfen.

Das gleiche gilt auch für die Motiv-Wagen im Straßenkarneval. Ich habe da zwar nicht allzu viel im Fernsehen gesehen, ab das was ich gesehen habe, hat meinen Eindruck in Gänze bestätigt.

Sollte Zensur jetzt auch schon im Karneval Einzug gehalten haben, das wäre schlimm. Ich weiß allerdings nicht, was man dagegen tun könnte. Denn letztendlich entscheidet der Sender, was auf der Mattscheibe auftaucht. Und wenn man dann nicht dem Mainstream folgt…

Sollte ich ihr Interesse an Vorträgen aus den verschiedenen Sendung „Mainz bleibt Mainz“ geweckt haben, dann googeln sie einfach mal. Das Internet ist voll davon.

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