Was uns der Staat als Geschenk verkauft

Überlegungen zur kalten Progression

„Es kann nicht alles ganz richtig sein in der Welt, weil die Menschen noch mit Betrügereien regiert werden müssen.“
Georg Christoph Lichtenberg

Trotz Lohnerhöhung weniger Geld

Haben sie das schon einmal erlebt? Sie erhalten eine moderate Lohnerhöhung. Und bei ihrem Blick auf die erste Lohnabrechnung müssen sie feststellen, dass sie plötzlich weniger Netto haben als vorher. Aber wie kann das sein? Die prozentualen Anteile für die Sozialabgaben sind gleichgeblieben. Auch an ihrer Steuerklasse hat sich nichts geändert. Und trotzdem sind die Steuern derart gestiegen, dass ihr Netto jetzt geringer ist als vorher.

In diesem Zusammenhang taucht häufig der Begriff der kalten Progression auf. Und die will die Ampel im Haushaltsjahr 2025 bekämpfen. Hat zumindest der Lindner gesagt. Gleichzeitig sprechen insbesondere Grüne und Linke, also Kommunisten, von Steuergeschenken. Aber ist das wirklich so?

Steuerklassen und Steuersätze

Wir kennen sechs Steuerklassen. Die Steuerklasse I ist dabei die Steuerklasse, die für jeden Anwendung finden kann. Alle anderen Steuerklassen sind letztendlich Sonderfälle, wenn auch die Steuerklasse III sehr häufig vorkommt. Die betrifft nämlich Eltern mit Kindern. Das aber nur nebenbei. Denn für die kalte Progression spielen sie keine Rolle.
Dafür sind die Steuersätze wichtig. Und die sind abhängig vom Einkommen. Bis zu einem Jahreseinkommen von 10.000 Euro zahlen sie nämlich keine Steuern. Bei einem Jahreseinkommen von 15.000 Euro werden dann schon 736,00 Euro Steuern fällig. Das entspricht 4,91 Prozent. Das steigt kontinuierlich weiter an. Bei einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro beträgt der Steuersatz dann schon 42 Prozent. Ab 277.000 Euro werden dann schon 45 Prozent fällig. Wenn sie mehrt darüber erfahren wollen, dann finden sie hier eine Steuersatz-Tabelle oder eine entsprechende Grafik.

Die kalte Progression

Wenn sie also eine Lohnerhöhung erhalten, dann ändert sich ihre Steuerklasse nicht. Es kann aber passieren, dass sie in einen höheren Steuersatz rutschen.

Das folgende Beispiel soll nur die Wirkung für einen solchen Fall aufzeigen. Es erhebt keinen Anspruch auf absolute Richtigkeit. Freibeträge berücksichtige ich dabei nicht.
Nehmen wir einmal an, sie erhalten ein Gehalt von 24.000 Euro jährlich. Das entspricht einem Monatseinkommen von 2.000 Euro. Ihr Steuersatz beträgt somit 9,78%. Es werden ihnen also 195,60 Euro vom Gehalt abgezogen. Ihr Monatseinkommen beträgt 1804,40 Euro. Die Sozialabgaben lassen wir mal außen vor.
Jetzt erhalten sie eine Lohnerhöhung von 100 Euro monatlich. Ihr Jahresgehalt steigt somit auf 25.200 Euro. Ihr Steuersatz steigt auf 13,12 Prozent. Bei einem monatlichen Einkommen von 2.100 Euro werden somit 275,52 Euro an Steuern fällig. Am Ende bleiben ihnen 1824,48 Euro übrig. Das sind gerade einmal gut 20 Euro mehr als vorher. Tja, wo sind die 100 Euro geblieben?

Wenn man jetzt die entsprechenden Steuertabellen nicht kontinuierlich anpasst, dann erreichen selbst einfache Arbeiter irgendwann Steuersätze von über 30 Prozent.

Lohn und Inflation

Nehmen wir nochmal unser Berechnungsbeispiele. Die Sozialabgaben lassen wir weiterhin außen vor.
Zu Beginn haben sie ein verfügbares Nettoeinkommen von 1804,40 Euro. Dafür können sie sich auch Waren für genau diesen Preis kaufen.
Jetzt haben wir eine Inflation von 5%. Das heißt, die gleichen Waren kosten jetzt 1894,62 Euro. Ihre Lohnerhöhung um 100 Euro entspricht auch 5%. Durch den höheren Steuersatz stehen ihnen jetzt 1824,48 Euro zu Verfügung. Um die gleichen Waren wie vorher zu kaufen zu können, fehlen ihnen jetzt 70,14 Euro. Trotz Lohnerhöhung ist ihre Kaufkraft gesunken. Und genau das nennt man kalte Progression. Man könnte genauso Kaufkraftverlust sagen. Aber dann würde der Bürger ja merken, dass etwas schiefläuft.
Und wer verdient daran? Natürlich der Staat.

Die Absicht der Regierung

Was die Regierung wirklich beabsichtigt weiß man eigentlich nie. Lindner hat jedenfalls behauptet, dass man im Rahmen des neuen Haushaltes die kalte Progression eindämmen möchte. Das wäre dann möglich, wenn man die entsprechenden Steuersatztabellen der aktuellen Inflation anpassen würde. Ich bin mir sicher, dass man das tut. Dass die Steuersätze allerdings mit der Inflation Schritt halten werden, darf durchaus bezweifelt werden.
Dies ist vor allem deshalb bedeutsam, dass gerade Energie und Wohnen in den letzten Jahren deutlich über der durchschnittlichen Inflation lag.

Sind das nun Geschenke?

Aus dem linken Lager kommen jetzt die Vorwürfe, dass das Steuergeschenke seien. Aber sind sie das wirklich? Mal ehrlich, halten sie es wirklich für ein Geschenk, wenn sie sich nach einer Lohnerhöhung das Gleiche kaufen können wie vorher? Nein, das ist alles andere als ein Geschenk. Ein Geschenk wäre es, wenn ich mir nach der Lohnerhöhung mehr kaufen könnte als vorher. Dass man die Steuersätze der realen Inflation anpasst, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Noch ein Wort zum Ehegattensplitting

In Ergänzumg zu einem meiner letzten Beiträge, möchte ich hierzu noch ein Wort verlieren.
Viele glauben, dass man beim Ehegattensplitting durch die Auswahl der Steuerklassen Geld spart. Dies ist ein weit verbreiteter Irrtum. Am Ende des Jahres werden die Ehepartner gemeinsam veranlagt (Regelfall). Das gemeinsame Gehalt wird auf beide gleichmäßig verteilt und dann nach Steuerklasse IV abgerechnet. Die Steuerklasse IV unterscheidet sich allerdings kaum von Steuerklasse I. Die eigentliche Steuerersparnis kommt durch die Einstufung in die Steuersätze.

Auch hier eine kurze Berechnung

Ein Partner verdient 800 Euro monatlich in Teilzeit. Er zahlt keine Steuern. Der andere verdient Monatlich 5.000 Euro (60.000 Euro im Jahr). Somit liegt er im Steuersatz bei 25,4%. Es werden ihm also 1270 Euro abgezogen.
Am Ende werden die beiden Gehälter addiert und dann durch zwei geteilt. Es wird also so getan, als ob beide jeweils (5.000€+800€)/2=2.900€ verdienen würden. Sie kommen dann in den Steuersatz (2.900*12=34.800) von 15%. Das heißt es werden jetzt monatlich 435€*2=870€ fällig. Durch das Ehegattensplitting entsteht also eine Steuerersparnis von 400 Euro.

Fazit

Wann immer verkündet wird, dass der Staat Wohltaten verteilt, bleiben sie skeptisch. In vielen Fällen handelt es sich um bloße Augenwischerei. Die Anpassung von Steuersätzen ist nämlich alles andere als eine Wohltat. Eigentlich sollte sie eine Selbstverständlichkeit sein. Das ist sie aber nur dann, wenn auch die echte Inflation vollständig eingepreist ist. Davon sollten wir allerdings in diesem Fall nicht ausgehen.

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