Bundeswehr und Wehrpflicht

Wie eine Wehrpflicht aussehen könnte

„Es macht auf Dauer keinen Sinn, dass die Bundeswehr überall auf der Welt vielfältige Aufgaben wahrnehmen kann, nur nicht in dem Land, in dem das Grundgesetz gilt.“
Wolfgang Schäuble

Es fehlen Soldaten

Normalerweise sollte die Bundeswehr über etwa 200.000 Soldaten verfügen. Leider konnte man diese Zahl nach Außerkraftsetzung der Wehrpflicht niemals erreichen. Meistens lag die Anzahl der Soldaten in der Bundeswehr irgendwo um 180.000. Es fehlten also durchgängig 20.000.
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich die Bedrohungslage für Deutschland deutlich verändert. Also braucht man mehr Soldaten. Man spricht von weiteren 60.000 Soldaten. Ob man die wirklich braucht, steht hier nicht zur Debatte. Das werde ich in einem weiteren Beitrag behandeln.
Wenn man also schon bisher nicht ausreichend Soldaten auf freiwilliger Basis gewinnen konnte, muss man sich fragen, wie das bei einem Mehrbedarf von 60.000 gelingen soll. Und schon kommt die Wehrpflicht wieder ins Spiel.

Politische Rumeierei

Natürlich tut sich die derzeitige Politik schwer mit einer Wehrpflicht. Die Alten befürworten die zwar, aber die sind davon nicht betroffen. Die jüngeren lehnen die Wehrpflicht ab. Ein Großteil von denen weiß nämlich nicht, was er verteidigen soll. Außerdem sei Wehrpflicht eine Zwangsmaßnahme, und besonders die linken Parteien lehnen Zwang ja kategorisch ab. Behaupten sie wenigstens. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Matthias Miersch, spricht dann auch lieber von Wehrdienst als von Wehrpflicht. Für die Betroffenen macht das aber keinen Unterschied.

Auch bei der Durchführung dieser Wehrpflicht kommen Politiker auf die abenteuerlichsten Ideen. Gerade das Thema Wehrgerechtigkeit spielt dabei eine große Rolle, weil man eben nicht die kompletten Jahrgänge benötigt. Auch das Thema Wehrpflicht für Frauen kommt wieder auf die Tagesordnung. Da könnte allerdings ein Blick in das Grundgesetz hilfreich sein. Da steht im Art. 12 a: „Männer können vom vollendeten 18. Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.“ Von Frauen ist da keine Rede.

Zunächst einmal will man die Jahrgänge erfassen. Sobald die jungen Männer 18 Jahre alt werden erhalten sie einen Fragebogen. Den müssen die dann beantworten. Ob die dann zur Bundeswehr müssen oder nicht, soll per Losentscheid bestimmt werden. Das finden viel berechtigterweise als ungerecht. Ich übrigens auch.

Wieviel Menschen sind überhaupt betroffen

Lassen sie mich wieder einmal rechnen. In Deutschland leben 80 Mio. Menschen. Im Schnitt werden die etwas älter als 80 Jahre. Ein Jahrgang besteht also etwa aus 1 Mio. Menschen. Die Hälfte davon sind Frauen.
Wenn wir uns also mit der Wehrpflicht befassen, dann geht es um 500.000 Soldaten pro Jahr. All diese jungen Männer müssen zunächst einmal zum Soldaten ausgebildet werden. Sie durchlaufen eine dreimonatige Grundausbildung. Und genau das würde ich mit einer Wehrpflicht erreichen wollen. Somit leistet jeder junge Mann einen Wehrdienst von drei Monaten.

Gehen wir davon aus, dass wir pro Jahr zehn Durchgänge bewältigen können. Dann müssen wir pro Durchgang 50.000 Soldaten ausbilden. Das könnte in extra dafür aufgestellten Ausbildungsregimentern geschehen. Solche Regimenter könnte man an die Länderstruktur anpassen. Das hieße dann, dass jedes Flächenland pro Durchgang knapp 4.000 Soldaten durchschleusen müsste. Das sollte mit vier Ausbildungsregimentern zu schaffen sein. Ich will aber nicht zu tief in Details eintauchen.

Gewinnung von Zeitsoldaten

Auf freiwilliger Basis können diese Soldaten ihren Dienst verlängern. In den folgenden drei Monaten erhalten die Soldaten dann eine fachliche Qualifikation, die für einen entsprechenden Dienstposten erforderlich ist. Das ist die bisherige Vollausbildung, die nach weiteren drei Monaten abgeschlossen ist.
Wer dann noch Interesse an der Bundeswehr hat, kann sich dann zum Unteroffizier oder Offizier ausbilden lassen. Das müsste dann von der aktiven Truppe geleistet werden.
Sicherlich ist ein solches Verfahren keine Garantie, dass man ausreichend Zeit- und Berufssoldaten rekrutieren kann. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass auch zu meiner Zeit die Nachwuchsgewinnung per Truppenwerbung nicht unerheblich war. Mit dem Ausstieg aus der Wehrpflicht hat man sich dieser Quelle gänzlich beraubt.

Nichtaktive Truppenteile

Zur Zeit des Kalten Krieges gab es bei der Bundeswehr neben der aktiven Truppe auch eine große Anzahl nicht aktiver Truppenteile. Das waren Verbände, die man im Fall der Fälle mit Reservisten aufgefüllt hätte. Auch dafür war die Wehrpflicht von entscheidender Bedeutung. Denn fast jeder, der seine Wehrpflicht abgeleistet hatte, landete im Anschluss in einem solchen nicht aktiven Truppenteil. Die Bundeswehr hätte so im Kriegsfall von etwa 380.000 Mann (aktive Truppe) auf fast 1 Mio. Soldaten aufwachsen können. Wenn wir in Zukunft jedem aktiven Truppenteil einen entsprechenden nicht aktiven an die Seite stellen, dann wäre auch das wieder möglich. Dafür ist aber die Wehrpflicht ein unabdingbares Vehikel.

Erforderliche Voraussetzungen

Als allererstes müssen wir wieder eine Organisation installieren, die die lückenlose Wehrerfassung garantiert. Das haben früher Kreiswehrersatzämter gemacht. Die heutigen Karriere-Center sind dafür nicht geeignet.
In einem zweiten Schritt muss man Liegenschaften für 50.000 Soldaten schaffen. In wieweit es möglich ist, sich auf alte Kasernen abzustützen, kann ich nicht beurteilen. Je nach Größe dürften das mindestens 20 Kasernen sein.
Und dann wird auch noch entsprechendes Ausbildungs- und Führungspersonal benötigt. Das ist derzeit nicht vorhanden. Ich könnte durchaus die benötigte Anzahl an Offizieren und Unteroffizieren berechnen, das erspare ich mir aber mal. Unter Umständen könnten auch hier besonders geeignete Reservisten ins Spiel kommen. Die gibt es wirklich, das habe ich in den verschiedenen Einsätzen erlebt.

Ein Kraftakt

Eine Organisation zu zerstören, schaffe ich in wenigen Tagen. Sie wieder aufzubauen dauert unter Umständen Jahre. Und es kostet Geld. Viel Geld.
Eines steht fest. Wenn unser Verteidigungsminister es damit ernst meint, dann wird das ein gewaltiger Kraftakt. Und wir können sicher sein, dass das beim derzeitigen Zustand der Streitkräfte Jahre dauern wird. Ich gehe da von mindestens zehn Jahren aus.

Zusammenfassung

Ich halte die Wehrpflicht für sinnvoll und notwendig. Allerdings muss sie so ausgestaltet sein, dass sie gerade bei den Betroffenen auf Akzeptanz stößt. Das ist mit einer kurzen Wehrpflicht von drei Monaten mit Sicherheit möglich. Und ich bin mir auch sicher, dass man über die Truppenwerbung dann ausreichend Personal für die weitere Ausbildung rekrutieren kann.

Viel wichtiger ist aber, dass unsere Politidioten einen Staat schaffen, der von den Betroffenen als verteidigungswürdig betrachtet wird. Es ist einem potentiellen Wehrpflichtigen in keinem Fall zu erklären, dass man mit der Bundeswehr irgendwelche Aufgaben in der Ukraine übernimmt, während gleichzeitig wehrfähige ukrainische Männer in unseren Fußgängerzonen flanieren.

Nachtrag

Man könnte es als ungerecht empfinden, dass nur Männer zur Wehrpflicht herangezogen werden können. Bei all diesem Gleichheitsgefasel müssten doch auch Frauen ihren Dienst ableisten. Dazu werde ich mich in einem weiteren Beitrag äußern. Das würde hier zu weit führen.

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