Wieviel Krankenhäuser braucht Deutschland?

Gedanken zur Gesundheitsreform

„Nichts beschleunigt die Genesung so sehr wie regelmäßige Arztrechnungen.“
Alec Guinness

Der große Wurf

Unser Gesundheitswesen steht vor dem Abgrund. Krankenhäuser stehen vor der Pleite. Trotzdem steigen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung. Und jetzt kündet der Seuchen-Karl die große Reform an. Ja, das eine oder andere Krankenhaus wird wohl über die Wupper gehen. Und schon ist das Geschrei groß. Aber ist das überhaupt berechtigt?
Zeit sich einmal Gedanken über das Thema zu machen. Ich kann sie beruhigen, ich werden nicht mit Zahlen um mich werfen. Ich werde nur einige wenige grundlegende Überlegungen anstellen. Vielleicht hilft ihnen das bei der Einschätzung der derzeitigen Situation.

Erinnerungen an Afghanistan

Ich war während meiner aktiven Dienstzeit mehrfach in Afghanistan unterwegs. Da hatte ich auch einmal mit einem Projekt zu tun, wo mit deutschem Geld ein Krankenhaus gebaut werden sollte. Meines Wissens waren die Gelder dazu schon bewilligt. Ob es dann tatsächlich gebaut wurde entzieht sich meiner Kenntnis.

Um die Eckdaten für dieses Krankenhaus zu ermitteln hatte sich eine Kommission aus Deutschland angekündigt. Zur Vorbereitung dieses Besuchs hatte ich im Vorfeld ein Meeting mit der regionalen Gesundheitsbehörde und der Krankenhausleitung. Und die hatten sogar schon etwas vorbereitet. Sie legten mir eine Wunschliste vor. Und da musste ich sie zum ersten mal enttäuschen. „Ich wünsche mir“ reicht leider nicht aus. Entscheidend ist nämlich nicht, was wir uns wünschen. Entscheidend ist, was wir wirklich brauchen. Diesen Satz sollten wir uns merken.
Das habe ich denen dann auch erklärt. Sie müssen ihre Wünsche mit Zahlen hinterlegen, so dass auch die Kommission erkennt, dass hier wirklich eine Notwendigkeit besteht.

Ein weiteres Erlebnis

Das gleiche habe ich oftmals bei der Problematik Schulen erlebt. Jedes Dorf wollte eine eigene Schule. Nun, da gab es Dörfer die hatten eine eigene Grundschule. Und es gab Dörfer, die mussten ihre Kinder dahin schicken. Die Entfernung betrug häufig weniger als einen Kilometer. Also warum noch eine Schule? Vor allem war in den Nationalen Konzepten geregelt, dass jedes Kind innerhalb von 3 km eine Grundschule und innerhalb von 5 km eine weiterführende Schule erreichen kann. Da ist es halt so, dass es nicht in jeder Ortschaft eine Schule gibt. Ist eigentlich ja auch nicht erforderlich. Aber sie kennen das ja, „ich will das aber haben!“

Gibt es das auch in Deutschland?

Ja, gibt es. Schauen sie sich mal die Flughafenlandschaft in Deutschland an. Ich denke, Flughäfen wie Frankfurt, München, Düsseldorf oder Hamburg dürften ziemlich ausgelastet sein. Die stehen meines Erachtens auch nicht zur Diskussion. Aber dann kommen plötzlich Landkreise auf die Idee, sie müsste auch einen Flughafen haben. Typische Beispiele hierfür sind Kassel-Calden, Paderborn oder auch Rostock-Lage. Da sind Flughäfen komplett am Bedarf vorbeigeplant und gebaut worden. Und das Ergebnis ist, man hat hier Millionengräber geschaffen.

Krankenhäuser im Landkreis Nienburg

Ich wollte aber eigentlich über Krankenhäuser reden. Der Landkreis Nienburg hat etwa 120.000 Einwohner. Er verfügte früher einmal über 3 Krankenhäuser. Sie lagen in den Ortschaften Hoya, Stolzenau und Nienburg. Sie können sich vorstellen, dass das schon ein Kostenfaktor war. Heute gibt es im Landkreis nur noch ein Krankenhaus in der Stadt Nienburg. Das Krankenhaus in Hoya ist komplett aufgelöst, Stolzenau wird als Nebenstelle von Nienburg derzeit noch weiterbetrieben. Ich habe diese Reduzierung aktiv miterlebt. Eine Verringerung der Leistungen im Gesundheitswesen konnte ich da nicht erkennen. Möglicherweise haben wir die drei Krankenhäuser wirklich nicht gebraucht.

Was sollen Krankenhäuser leisten?

Um einen Bedarf festzustellen, muss ich erst einmal eine Leistung formulieren. Krankenhäuser haben zwei grundsätzliche Aufgabenbereiche. Das eine sind Leistungen im allgemeinen Gesundheitswesen, das andere sind Leistungen im Bereich der Notfallmedizin. Dabei müssen wir wissen, der Bereich der Notfallmedizin ist häufig zeitkritisch. Wir kennen das bei schweren Unfällen, wo man unter Umständen mit Hubschrauber das nächste größere Klinikum erreichen muss. Im Bereich der Notfallmedizin spielt also eine flächenmäßige Abdeckung eine Rolle.

Im Bereich des allgemeinen Gesundheitswesens ist das nicht der Fall. Somit finde ich die Idee, dass nicht jedes Krankenhaus jede Leistung erbringen muss, gar nicht einmal für falsch. Ich kann mich da an einen Sportunfall meiner Tochter erinnern. Sie hatte einen Kreuzbandriss. Den wollte sie in Nienburg nicht operieren lassen. Also hat sie im Internet nach einer entsprechenden Fachklinik gesucht und ist auch in Hannover fündig geworden. Sicherlich ist das für Besucher mitunter umständlich. Aber machbar ist das schon.
Auch für andere Erkrankungen, wo Operationen planbar sind, halte ich die Spezialisierung von Krankenhäusern durchaus überlegenswert.

Was brauche ich in jedem Krankenhaus?

Eine Notfallabteilung sollte in jedem Krankenhaus vorhanden sein. Was da im Detail vorgehalten werden muss, kann ich nicht beurteilen. Das muss eigentlich der Katastrophenschützer im Landkreis festlegen.
Ich bin auch der Meinung, dass jedes Krankenhaus eine Geburtsabteilung haben sollte. Denn gerade bei Geburten kann es schon einmal schnell gehen. Und ich finde es nicht richtig, wenn Geburten im Auto oder Taxi zur Regel werden. Möglicherweise gibt es da noch mehr. Aber ich will gar nicht soweit in die Tiefe gehen. Machen sie sich einfach mal selbst ihre Gedanken.

Ärztlicher Bereitschaftsdienst

Wenn sie mal am Wochenende in die Notaufnahme eines Krankenhauses müssen, dann fällt ihnen auf, dass dort viele Menschen sitzen, die definitiv keine Notfälle sind. Früher hatte man da einen Notdienst, wo immer ein Arzt am Wochenende erreichbar war. Das hat man leider an die Krankenhäuser verlagert. In meinen Augen ist das Unsinn. Aber man wollte die Ärzte halt entlasten.

Wie könnte man das auffangen. Nun, es entstehen immer mehr Ärztehäuser. Das sind Gebäude, in denen mehrere Fachärzte unter einem Dach praktizieren. Die betreiben teilweise sogar eine Tagesklinik, so dass dort auch kleinere Operationen durchgeführt werden können. Warum verpflichtet man diese Ärztehäuser nicht dazu, eine Wochenend- und Feiertagsbereitschaft einzurichten? Unter Umständen könnten dazu auch die praktizierenden Ärzte aus der Region herangezogen werden. Das würde dann die Krankenhäuser wieder von diesen Diensten befreien. Wäre meines Erachtens auch mal eine Überlegung wert.

Wer muss eigentlich ins Krankenhaus?

Ich bin kein Arzt. Deshalb muss ich bei den folgenden Aussagen durchaus vorsichtig sein. Aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass häufig Menschen ins Krankenhaus überwiesen werden, obwohl dazu keine Notwendigkeit besteht. Ich hatte beispielsweise mal eine Lungenentzündung. Und mein behandelnder Arzt wollte mich sofort in ein Krankenhaus einweisen. Allerdings gab es Gründe, die dem entgegensprachen. Also bekam ich ein Antibiotikum und kurierte mich zuhause aus. Und sie werden es nicht glauben. Meine Genesung verlief völlig komplikationslos. Vergleichbare Fälle kenne ich viele. Sind wir also vielleicht eine rundum-sorglos-Gesellschaft, die wegen jedem Scheiß ins Krankenhaus muss? Kann man so machen, muss man sich aber auch leisten können.

Und da kommt mir noch eine Frage. Warum sterben so viele Menschen im Krankenhaus. Glaubt man wirklich, man könne so das Leben noch entscheidend verlängern? Glaubt man wirklich, dass ein 86-jähriger noch eine Option auf mehrere Jahre hat? Häufig weiß man bei solchen Patienten, dass es zu Ende geht. Warum lässt man die dann nicht zuhause in gewohnter Umgebung sterben? Haben wir verlernt in Würde zu sterben und sterben zu lassen? Gerade in diesem Bereich könnten erhebliche Krankenhauskapazitäten eingespart werden. In meinen Augen kann es nicht sein, dass Krankenhäuser Hospizaufgaben übernehmen.

Sind alle Operationen wirklich notwendig?

Ich will hier wirklich nicht Operationen generell infrage stellen. Aber nirgendwo in der Welt werden so viel künstliche Knie- und Hüftgelenke eingebaut wie in Deutschland. Vielleicht noch in den USA. Eine vernünftige Physiotherapie könnte da manche OP vermeiden helfen. Ich selbst bin von einer Arthrose in beiden Knien betroffen. Nach dem Röntgenbild hätte ich längst neue Kniegelenke erhalten müssen. Ich bin aber weitestgehend schmerzfrei. Glücklicherweise hatte ich aber eine Orthopädin, die sagte, sie behandle Patienten und keine Röntgenbilder. Und solange ich halbwegs schmerzfrei laufen könne… Nun, ich gehe im Winter in ein Fitnessstudio. Mache speziell Training für Knie und Rücken. Eine OP konnte ich so bis jetzt vermeiden.

Ich bin überzeugt, dass man mit einem vernünftigen Trainingsaufbau, auch altersgerecht, viele OPs vermeiden könnte. Auch das hätte massiv Einfluss auf den Bedarf von Krankenhauskapazitäten.

Zusammenfassung

Kommen wir zurück auf die Eingangsfrage. Wie viele Krankenhäuser braucht Deutschland? Ich weiß es nicht. Was es zukünftig allerdings nicht mehr geben wird, ist das klassische Kreiskrankenhaus. Möglicherweise wird es noch Notfallzentren auf Kreisebene geben. Aber Krankenhäuser mit allen Kategorien wird es wohl nur noch an großen Universitätsstandorten geben. Aber was spricht denn dagegen, wenn sich mehrere Landkreise zusammentun, um so das komplette Paket sicherzustellen? Und was spricht gegen diese Ärztehäuser, wo ich nahezu alles an einem Ort finde? Von dort könnten unter Umständen sogar mobile Arzttrupps bei Bedarf in die Region geschickt werden. Temporäre Arztpraxen.

Geld wird immer knapper. Und auch Personal wird zukünftig nicht mehr. Ich glaube schon, dass wir künftig andere Wege gehen müssen. Ob Karl Lauterbach schon den richtigen Weg gefunden hat, glaube ich eher nicht. Aber über einige Ansätze kann man durchaus diskutieren.

Ich will das aber haben, dürfte aber endgültig der Vergangenheit angehören.
Wenn es um unser Gesundheitssystem geht, dann klagen wir schon auf einem sehr hohen Niveau.

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