Polizei schießt auf Bundeswehrsoldaten
„Heimlich klug ist besser als unheimlich dumm.“
Sprichwort
Was ist geschehen
In Bayern findet die Großübung „Marshal Power 2025“ der Bundeswehr statt. Die Übung beschränkt sich nicht nur auf Übungsplätze, sondern nutzt auch den öffentlichen Raum. An der Übung sollen auch zivile Kräfte der Polizei beteiligt sein. Inwieweit auch Feuerwehr eine Rolle spielt, ist mir nicht bekannt. Spielt aber auch keine Rolle.
Im Rahmen dieser Übung sind nun Soldaten zu Fuß unterwegs. Natürlich sind die Soldaten getarnt. Tarnschminke oder Wollmützen werden genutzt, um möglichst unsichtbar zu bleiben. In der Nähe von Erding kommt es nun zu einem Zwischenfall, der glücklicherweise relativ glimpflich ausgeht. Bürger erkennen in der Nacht Menschen, die um die Häuser schleichen. Sie sind beunruhigt und alarmieren die örtliche Polizei. Als die auf dem „Gefechtsfeld“ erscheint, gehen die Soldaten davon aus, dass das Teil der Übung sei. Sie eröffnen das Feuer. Zu bemerken ist, dass die Soldaten bei solchen Übungen mit Manövermunition, d.h. mit Platzpatronen schießen. Die alarmierten Polizeikräfte wissen das aber nicht, gehen von einem Angriff aus und erwidern das Feuer. Blöd ist dabei, dass die aber mit scharfer Munition, wahrscheinlich 9mm Parabellum, schießen. Dabei wird ein Soldat getroffen und leicht verletzt. Glücklicherweise bleibt es dabei.
Dennoch stellt sich die Frage, wie so etwas passieren kann. Grundsätzlich darf so etwas nicht passieren. Ich kann über die Ursachen auch nichts sagen. Ich weiß allerdings, wie es richtig laufen sollte. Und ich weiß, dass man gewisse Möglichkeiten nicht nutzt, weil man sie für überflüssig hält, bzw. sie gar nicht kennt.
Zivil-Militärische Zusammenarbeit
Ich möchte ihnen noch einmal einen Begriff in Erinnerung rufen. Es geht um die „Zivilverteidigung“. Unter diesem Begriff versteht man alle Maßnahmen, die die zivile Seite erbringen muss, um dem Militär seinen Verteidigungsauftrag zu ermöglichen. Dazu gehört unter anderem der Zivilschutz, das ist vereinfacht gesagt der Katastrophenschutz im Kriegsfall. Nur dafür ist das THW aufgestellt worden.
Natürlich müssen die Maßnahmen des Militärs mit den Maßnahmen der zivilen Seite abgestimmt und koordiniert werden. Das findet logischerweise zunächst auf ministerieller Ebene statt. Für den örtlichen Bereich unterhält die Bundeswehr ein entsprechendes Verbindungswesen. Vielleicht haben sie schon einmal vom Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr in Berlin gehört. Das ist die höchste Behörde, die für Angelegenheiten der Bundeswehr im Inland zuständig ist. Dem Kommando unterstellt sind 16 Landeskommandos, die dem Grunde nach das Bindeglied zu den Ländern darstellen. Den Landeskommandos unterstellt sind die Kreisverbindungskommandos. Das sind Reservisten, die im Fall der Fälle die Verbindung zu den Landkreisen sicherstellen. Sie können allerdings im Rahmen von Übungen auch ausnahmsweise als Verbindungsorgan zu den Polizeiführungsstäben abgeordnet werden. Und genau das wird so gut wie nie genutzt. Dazu aber später mehr.
Die Übungsanmeldung
Große Übungen sind bei den zuständigen Behörden anzumelden. Die Truppe selbst erstellt ein Übungsszenar und legt den Übungsraum fest. Dieses geht dann an das zuständige Landeskommando. Das Landeskommando informiert zum einen die Landesregierung, zum anderen auch nicht betroffene Truppenteile. Inwieweit das Landeskommando seine Verbindungskommandos aktiviert, obliegt dem Kommando in Verbindung mit den betroffenen Kreisbehörden.
Die Landesregierung informiert auf ihrem Weg die betroffenen Behörden, weist diese unter Umständen sogar zur Unterstützung an. Das ist immer dann der Fall, wenn große Märsche durch Polizei unterstützt werden sollen. Wenn wir das jetzt auf unsere Übung übertragen, hätte es gar nicht zu einem solchen Zwischenfall kommen dürfen.
Mögliche Fehlerquellen
Ich glaube nicht, dass es an der Übungsanmeldung gelegen hat. Denn die Übung wurde auch in den Medien frühzeitig angekündigt. Da die Zusammenarbeit mit zivilen Kräften auch ein Übungszweck war, dürften auch die zivilen Akteure im Bild gewesen sein. Auch der Übungsraum war klar. So berichtet BR24 am 22.10., dass die Übung im Raum München, Ingolstadt, Neuburg an der Donau, Regensburg, Deggendorf und Landshut stattfindet. Da gehört Erding definitiv dazu.
Ich gehe aber davon aus, dass der Übungsverlauf nicht bis ins letzte Glied bekannt war. Und wenn sie den Übungsraum betrachten, der ist riesig. Da findet nicht überall ständig was statt. Da kann es durchaus sein, dass der Raum Erding zunächst mal völlig unbeteiligt war. Und dann kommen an dem besagten Tag plötzlich Soldaten. Getarnt, mit Waffen. Stromern so durchs Gelände. Da weiß man natürlich zunächst nicht, um was es geht. Und dann fangen diese seltsamen Gestalten auch noch an zu schießen. Da geht dem betroffen Polizisten der Arsch auf Grundeis. Der schießt zurück.
Wie hätte man das vermeiden können. Die Bundeswehr hat für solche Fälle Verbindungsorgane. Klar, es sind Reservisten. Was spricht aber dagegen, dass man die für diese Übung einberuft? Die hätte man dann gemäß Übungsverlauf an die betroffenen Behörden, in diesem Fall an die Polizeidirektion oder -inspektion abstellen können. Wenn dann Anrufe aus der Bevölkerung auflaufen, dann hätte man zumindest schon einmal gewusst, dass da möglicherweise Militär im Spiel ist. Und was hätte dagegengesprochen, wenn das Verbindungskommando mit einer Erreichbarkeit zur militärischen Führung ausgestattet gewesen wäre. Nichts. Ich bin mir sicher, der Vorfall hätte verhindert werden können.
Meine Erfahrungen
Ich kenne mich in diesem Geschäft so einigermaßen aus. Habe in meiner Dienstzeit sogar einige Jahre in einer Behörde vergleichbar mit den Landeskommandos dienen dürfen. Ich habe da sogar eine Übung angelegt, allerdings war es eine reine Stabsübung. Es gab also keine Truppe im öffentlichen Raum. Die zivile Seite war aber sehr wohl mit beteiligt.
Später war ich dann im Kommando Zivil-Militärische Zusammenarbeit eingesetzt. Dort habe ich Lehrgänge gerade für diese Verbindungskommandos durchgeführt. Ich weiß also was die können. Bei der Truppe habe ich in diesem Zusammenhang aber häufig Unwissen, und was noch schlimmer ist, Ignoranz erleben dürfen. Die waren sich überhaupt nicht klar, was für einen Nutzen dieses Verbindungselement für sie haben könnte. Ich befürchte, dass sich daran auch in den sechs Jahren nach meiner Pensionierung nichts geändert hat.
Fazit
Es gibt Möglichkeiten, Risiken bei solchen Übungen zu minimieren. Allerdings müssen diese Möglichkeiten bekannt sein und genutzt werden. Daran hapert es.
In der Truppe gab es zu meiner Zeit keine hauptamtlichen ZMZ-Kräfte. Die braucht es auch nicht, dafür haben wir dieses ominöse Kommando. Aber mindestens ein Fachmann sollte auch in der Truppe präsent sein. In der Dänischen Armee ist das so. Es gibt viel zu tun. Packen wir es an.
Und jetzt seien wir einfach froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist.
Quelle: BILD