Das neue Infektionsschutzgesetz – was steckt wirklich dahinter

Blinder Aktionismus ersetzt nicht geistige Windstille

Am Mittwoch wird das neue Infektionsschutzgesetz im Bundestag beraten. Es soll ein Gesetz verabschiedet werden, mit dem bei der Pandemiebekämpfung Automatismen eingeführt werden. Örtliche Besonderheiten finden dabei kaum Berücksichtigung.
Im Kern geht es um Folgendes. Wenn ein Landkreis an drei aufeinanderfolgenden Tagen die sieben-Tage-Inzidenz von 100 überschreitet, soll die Notbremse gezogen werden. Die Maßnahmen, die dann zu treffen sind, will ich nicht im Einzelnen beleuchten. Dazu wird es noch zu viele Änderungen geben.
Für die Rücknahme der Einschränkungen ist folgendes vorgesehen. Wenn an 5 aufeinanderfolgenden Tagen die Inzidenz unter 100 liegt, können die Maßnahmen am übernächsten Tag zurückgenommen werden. Also fürs Reinkommen reichen 3 Tage, fürs Rauskommen müssen es 7 Tage sein.
Solche fragwürdigen Passagen, aber insbesondere die vorgesehenen Ausgangssperren sind nach wie vor heftig umstritten. Ob eine Ausgangssperre nun um 21.00 oder 22.00 Uhr beginnt ist letztlich Jacke wie Hose.

Kennen sie den Artikel 35 des Grundgesetzes (Link1)?

Lassen sie mich ganz von vorne beginnen.
Der Artikel 35 sagt: „Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.“ Dieser Artikel kommt regelmäßig bei extremen Hochwasserlagen zur Geltung. Sichtbar wird das zum Beispiel da, wo Bundeswehr an den Deichen unterstützt. Katastrophenschutz ist Ländersache, die Bundeswehr ist aber eine Bundesbehörde und somit nicht für den Katastrophenschutz zuständig. Der Artikel gilt aber auch im Falle einer Pandemie. Pandemien zählen zu den Naturkatastrophen.

Absatz 2

1964 hat man den Artikel 35 um zwei Absätze erweitert. Da in Katastrophenfällen die Leistungsfähigkeit der Polizei schnell an ihre Grenzen kommt, mußte man die Möglichkeit schaffen, polizeiliche Befugnisse an Bundeswehr und Bundespolizei zu übertragen. Im Absatz 2 steht daher geschrieben: „…kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern,…“ Das heißt, ein Bundesland kann Bundeswehr oder Bundespolizei zur Unterstützung bei polizeilichen Aufgaben heranziehen. Die Verantwortung verbleibt aber bei der Landesbehörde. Strafverfolgung ist allerdings ausgeschlossen. Verfolgung von Verstößen gegen die Corona-Regeln wäre also nicht möglich.

Absatz 3

Im Absatz drei dreht sich das jetzt um: „…,so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen…“ Erkennen sie den Unterschied? Jetzt ordnet der Bund die Maßnahme an, obwohl die Sache an sich nicht in seiner Zuständigkeit liegt.

Vergleichen sie das einmal mit der Situation jetzt. Eine Pandemie zählt zu den Naturkatastrophen. Zuständig sind die Länder. Die Bundesregierung glaubt aber nicht, dass die Länder das richtig machen. Also muss ein Gesetz her, das der Bundesregierung mehr Macht verleiht. Unsere Kanzlerin mit ihrer unendlichen Weisheit wird es schon richten. Gelächter.

Die Erweiterung des Artikel 35 enstand unter den Nachwirkungen der Sturmflutkatastrophe 1962 in Hamburg. Auch da war die Angst noch groß.
Und heute? Auch heute bestimmen Angst und Panik das politische Geschehen. Also nutzen wir die Chance für ein solches Gesetz. Die Rücknahme solcher Gesetze passiert eher selten.
Und es gibt doch einen gravierenden Unterschied. Die Maßnahmen des Artikel 35 Abs 3 sind sofort zurückzunehmen, wenn der Bundesrat es verlangt. Das neue Infektionsschutzgesetz sieht eine solche Klausel nicht vor.

Die Begründung für ein solches Bundesgesetzes ist, eine solche Pandemie könne durch zentrale Führung besser gemanaged werden.
Dies erschließt sich mir leider nicht. Frankreich zeigt deutlich, dass die Zentralstaatlichkeit eben kein besonderer Vorteil ist. Und wenn wir die Leistungen unserer Bundesregierung in dieser Krise betrachten, dann kann man das eher mit Pleiten, Pech und Pannen beschreiben. Die Impfkampagne oder die Teststrategie mögen hier als Beispiel dienen.

Zusammenfassung

Wenn ein solches Gesetz so wichtig wäre, wieso beschäftigen wir uns erst jetzt damit. Warum wird ein solches Gesetz jetzt mit heißer Nadel gestrickt, obwohl die Krise seit über einem Jahr andauert.
Und beachten sie auch noch Folgendes: in diesem Gesetz wird CoViD-19 nicht ausdrücklich genannt. Es gilt also auch für andere Infektionskrankheiten. Bedenken sie, wie schnell Inzidenzen bei Grippe-Wellen steigen können. Könnte es sein, dass man versucht, auf diesem Umweg eine dauerhafte Machterweiterung zu erlangen?

Seit einem Jahr eiert die Regierung vor sich hin, die Ergebnisse sind eher kläglich. Eine nachvollziehbare Strategie fehlt immer noch. Frau Kanzlerin, das ist das Ergebnis, wenn man sich nur mit Leuten umgibt, die so schwach sind, dass sie einem nicht gefährlich werden können. Und in der Krise, wo Entscheidungen getroffen werden müssen, sinnvolle Entscheidungen wohlgemerkt, da zeigt unsere Regierungschefin, was sie wirklich drauf hat.

Ein Brot kann schimmeln, und was kannst du?

https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_35.html

Der Gesetzesentwurf
http://www.welt.de/bin/beschluss.pdf_bn-230244549.pdf

https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/corona-bundesnotbremse-101.html

https://www.deutschlandfunk.de/aenderung-des-infektionsschutzgesetzes-staatsrechtler.694.de.html?dram:article_id=495875

https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-851999.html

https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/corona-notbremse-hamburg-zeigt-was-sie-bringen-koennte-a-a3dd7921-6b00-480c-b715-fad69c122c6e

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