Immer wenn es darum geht, die Bestell- und Einkaufspolitik für Corona-Impfstoffe im europäischen Konsens zu verteidigen (zu wenig Impfstoff im eigenen Land), höre ich folgende Argumentation.
1. Es würde uns deutschen Bürgern ja nicht helfen, wenn nur wir geimpft wären. Sicher könnten wir nur sein, wenn auch alle anderen geimpft wären.
2. Aus diesem Grund müssen wir es möglich machen, dass auch ärmere Länder Zugang zu diesen Impfstoffen haben.
Verstehe ich jetzt die Funktion des Impfens nicht mehr? Ich dachte immer, dass eine Impfung mich immun gegen dieses Virus macht. Wenn ich also geimpft bin, kann ich nicht mehr an Covid-19 erkranken, das heißt, es kann mir egal sein, ob andere infektiös sind oder nicht.
Was derzeit nicht sicher ist, ist die Frage, ob Geimpfte das Virus weiterhin übertragen können. Solange diese Frage nicht geklärt ist, nützt mir die Impfung des anderen gar nichts.
Damit ist der erste Teil der Argumentation als völliger Quatsch entlarvt.
Ob es eine moralische Verpflichtung gibt, im eigenen Land Verzicht zu üben, um ärmeren Nationen Zugang zu Impfstoffen zu ermöglichen, darüber kann man trefflich streiten. Das muß auch jeder mit sich selbst ausmachen. Wenn die politische Mehrheit der Meinung ist, wir müssten das tun, dann sollte sie das auch so kommunizieren!
Ich möchte aber auf einen wichtigen Aspekt hinweisen. Die Länder, um die es hier geht, sind häufig auf Hilfen anderer Staaten, sogenannter Geberländer, angewiesen. Diese Hilfen müssen dort aber erst einmal erwirtschaftet werden. Das geht nur, wenn dort die Wirtschaft entsprechende Steuereinnahmen generiert. Überschüsse können dann in Form von Entwicklungshilfe an die armen Staaten weitergegeben werden. Es hilft den armen Staaten also nicht, wenn sie aus Solidarität mit Impfstoffen versorgt werden, aber aufgrund brachliegender Wirtschaftszweige in den Geberländern auf andere Hilfen verzichten müssen. Im übrigen generiert eine gute Wirtschaftslage in den Geberländern auch Arbeitsplätze in den Nehmerländern.
Zitat aus einem Bericht der Welthungerhilfe (Link 1): „Wenn wir nicht handeln, werden durch COVID-19 bedingte Hungersnöte deutlich mehr Menschen sterben als durch das Virus selbst.“
Weiterführende Links
https://www.welthungerhilfe.de/hunger/hungersnoete-ursachen-folgen/
https://www.welthungerhilfe.de/aktuelles/projektupdate/2020/corona-auswirkungen-fuer-die-aermsten-weltweit/ (19.10.2020)
https://www.zeit.de/2020/22/hungersnot-corona-pandemie-globaler-sueden (10.05.2020)