Bundeswehr der Zukunft

Mehr Soldaten lösen die Probleme nicht unbedingt

„Wir schlafen nachts nur deshalb ruhig in unseren Betten, weil raue Männer bereit sind, in unserem Namen Gewalt zu verüben.“
George Orwell

Mehr Geld, mehr Soldaten

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine gewinnt das Thema Landesverteidigung immer mehr an Bedeutung. Leider muss man feststellen, dass die Bundeswehr seit 1989 immer weiter heruntergewirtschaftet wurde. Es gibt kaum noch einen Truppenverband, dem man die volle Einsatzbereitschaft bescheinigen könnte. Dass man für die Aufstellung einer Brigade (etwa 3.500 Soldaten) in Litauen drei Jahre braucht, ist dabei nur eine Randbemerkung.
Fest steht, die Bundeswehr ist derzeit nicht verteidigungsfähig. Und das ist mittlerweile auch in der Politik angekommen. Und da fordert man mehr Geld. Das sollte allerdings unter Umgehung der Schuldenbremse ausreichend zu Verfügung stehen. Wie hat Merz diesbezüglich gesagt? „Whatever it takes.“ Aber was nützt all das Geld, wenn es keine Soldaten gibt. Und da kommt das nächste Problem.

Was ich in diesem Zusammenhang aber frage, brauchen wir wirklich mehr Soldaten? Beim Geld stellt sich diese Frage nicht, da die Streitkräfte in einem Investitionsstau von mehreren Milliarden Euro stecken. Da muss was passieren. Aber wieviel Geld brauchen die Streitkräfte denn nun wirklich?

Ich glaube, man sollte sich zunächst einmal Gedanken machen, was unsere Streitkräfte in Zukunft wirklich können sollen. Welche Fähigkeiten sie haben müssen. Und das ist zunächst einmal Aufgabe der Politik. Erst dann kommt der Militär und erarbeitet entsprechende Strukturen.

Grundsätzliche Überlegungen

Auch wenn Streitkräfte defensiv ausgerichtet sind, müssen sie doch über Angriffsfähigkeiten verfügen. Denn wie soll Land zurückgewonnen werden, das vom Feind widerrechtlich okkupiert worden ist. Das geht eben nur durch Angriff. Und dass in einer Armee, die für die Landesverteidigung zuständig ist, die Fähigkeit für Verteidigung vorhanden sein muss, das dürfte eine Binse sein. Darüber hinaus bestehen Gefechte aus einem ständigen Wechsel zwischen Verteidigung und Angriff. Wer also nicht beide Fähigkeiten in seinen Kräften vereinigt, wird auf dem Gefechtsfeld keine Chance haben.
Das gilt übrigens auch im Kampfsport. Glauben sie wirklich, dass ein Boxer erfolgreich sein kann, wenn er nur verteidigt?

Ein Blick zurück

Wie müssen Streitkräfte also aussehen. In seinem Buch „vom Kriege“ hat Carl von Clausewitz dazu viele Überlegungen angestellt. Nach seinen Aussagen sind Feuer und Bewegung die Elemente des Gefechtes. Das gilt eigentlich auch heute noch. Das heißt Streitkräfte müssen beide Komponenten vereinigen. Seiner Zeit angemessen hat er so die Streitkräfte in drei Gruppen eingeteilt. Die Reiterei ist dabei hochbeweglich, aber nur mit wenig Feuerkraft ausgestattet. Die kann Raum gewinnen aber nur schwerlich halten. Dem gegenüber steht die Artillerie mit ihrer hohen Feuerkraft aber eben nur einer geringen Beweglichkeit. Die kann Raum halten, aber nicht gewinnen. Bleiben also noch die Fußtruppen. Die haben eine mittelmäßige Beweglichkeit und eine mittelmäßige Feuerkraft. Da sie aber eben beide Fähigkeiten auf sich vereinigen, sind sie für Streitkräfte unverzichtbar.

Diese Einteilung passt natürlich auf heutige Streitkräfte nicht mehr. Den Part Reiterei übernimmt sinngemäß die Luftwaffe. Fußtruppen und Artillerie finden wir im Heer. Genau trennen kann man das heute nicht. Vor allem auch deshalb, weil die Reichweiten bei der Artillerie mit den damaligen nicht vergleichbar sind. Die Raketenartillerie hat heute Reichweiten von 80 Kilometern, möglicherweise sogar noch mehr.

Wie müssen Streitkräfte heute aussehen?

Ich muss ihnen gestehen, ich habe keine Ahnung. Ich bin aber überzeugt, dass wir Truppenkörper brauchen, die weitestgehend autark operieren können. Im Fachjargon spricht man da vom „Gefecht der verbundenen Waffen“. Die dafür notwendigen Fähigkeiten sollten in einer Brigade verfügbar sein. Deshalb würde ich an der Gliederung Brigade festhalten. Wie diese Brigaden dann aber im Detail aussehen müssen, das muss noch von entsprechenden Fachleuten ausgearbeitet werden.

Ein Blick in die Vergangenheit

So eine Brigade bestand in der Vergangenheit aus fünf Kampftruppenbataillonen. Gehen sie davon aus, dass vier dieser Bataillone aus Panzern und Panzergrenadieren bestand. Es gab zwei unterschiedliche Brigadetypen. Das fünfte Bataillon war immer ein Panzerartilleriebataillon. Dazu kamen dann noch Pioniere, Logistiker, ABC-Kräfte und eine Stabskompanie. Die Personalstärke betrug etwa 3.500 Mann. Wer mehr wissen will, soll einfach mal „Brigadegliederung“ googeln.

Das Kriegsbild hat sich verändert

Im Ukraine-Krieg können wir Veränderungen zur Vergangenheit feststellen. Insbesondere Drohnen haben deutlich an Bedeutung gewonnen. Und das gilt nicht nur im Bereich der Verteidigungslinien, sondern bis hinein ins Hinterland. Dennoch spielen Panzer, Panzergrenadiere und Artillerie eine gewichtige Rolle.
Deshalb muss eine zukünftige Brigade auch über diese Komponenten verfügen. Sie braucht aber auch eine Drohnenkomponente. Die müssen neben Aufklärungsfähigkeiten, solche Drohnen hat die Bundeswehr schon, auch Kampffähigkeiten besitzen. Und das könnte einen völlig neuen Truppentyp bedingen, vielleicht ein Kampfdrohnenbataillon. Darüber hinaus braucht die Brigade dann aber auch noch Abwehrfähigkeiten gegen feindliche Drohnen. Da hat die Bundeswehr derzeit nämlich nichts. Vielleicht ist es notwendig, dass die frühere Heeresflugabwehr, man hatte diese 2012 aufgelöst, wieder aufgestellt wird. Dafür soll es sogar schon eine Entscheidung geben. Dass diese Flugabwehr auch gegen Drohnen wirkfähig sein muss, ist für mich selbstverständlich.

Wie auch immer, die entsprechenden Führungsebenen müssen sich schleunigst Gedanken machen, wie die zukünftigen Brigaden aussehen sollen. Das gilt selbstverständlich auch für die höheren Führungsebenen. In der Luftwaffe und Marine muss natürlich das gleiche geschehen.

Bedrohung des Staatsgebietes aus der Luft

Der Ukrainekrieg zeigt allerdings auch, dass beide Seiten mit weitreichenden Drohnen bis tief in das Hinterland wirken kann. Diese Bedrohung kann durch die Brigaden nicht abgewehrt werden. Dafür bedarf es eigener Abwehrsysteme. Die Israelis haben das mit ihrem Iron Dome deutlich unter Beweis gestellt. Dabei müssen wir aber wissen, dass Israel nur wenig größer ist als das Bundesland Hessen. Eine Komplettabschirmung der Bundesrepublik Deutschland wird so ohne weiteres nicht möglich sein. Da wird man sich auf besonders wichtige Räume und natürlich auf die kritische Infrastruktur beschränken müssen. Was dabei wichtig ist, das normale Feldheer wird das nicht leisten können. Dafür brauchen wir territoriale Kräfte. Zurzeit des Kalten Krieges hatten wir dafür ein Territorialheer. So etwas ähnliches werden wir auch in Zukunft brauchen, wie immer es dann aussehen wird.

Wie muss man weiter vorgehen

Erst einmal planen. Danach einen Soll-Ist-Vergleich anstellen. Erst jetzt kann man sich Gedanken machen über einen zukünftigen Personalbedarf. Und daraus folgend muss dann die Entscheidung über eine Wehrpflicht getroffen werden. Meiner Meinung ist das jetzt noch viel zu früh.
jetzt muss man die wenigen vorhandenen Brigaden soweit als möglich voll ausstatten. Und dann beginnt man, die neuen Brigaden Stück für Stück gemäß der neuen Entwicklung aufzustellen.
Sollte dafür eine Wehrpflicht erforderlich sein, muss die notwendige Ausbildungsorganisation geschaffen werden.
Wenn man dann alle Brigaden aufgestellt hat, kann man beginnen die herkömmlichen Brigaden auf den aktuellen Stand umzurüsten.

Zusammenarbeit mit der Industrie

Die Rüstungsindustrie benötigt allerdings klare Zielsetzungen. Die muss einen Planungshorizont haben. Es ist nämlich nicht möglich, mal schnell 300 Panzer zu produzieren, und dann über Jahre nichts mehr. Das funktioniert nicht. Wenn aber der Zeithorizont nicht zu knapp bemessen ist, dann lohnen sich für die Industrie auch Neuentwicklungen. Für die Industrie geht es nämlich nicht nur um Qualität, sondern auch um Quantität. Sie wissen sicherlich, was Sonderwünsche beim Autokauf kosten können. Das ist in der Rüstung nicht anders.

Der Zeithorizont

Wenn man das so runterschreibt, dann liest sich das ziemlich einfach. Dem Grunde nach ist es das auch. Aber es kostet dennoch Zeit. Ich spreche da nicht von Monaten. Ich spreche da von Jahren. Und selbst wenn Politik und Industrie jetzt mit höchster Anstrengung arbeiten, dann dürfte die erste neue Brigade frühestens in fünf Jahren bereitstehen. Danach geht es dann aber schneller, weil die Geräte ja schon in der Produktion sind.

Zusammenfassung

Die Politik muss jetzt sehr schnell entscheiden, was sie eigentlich will. Und dann müssen die Militärs sehr schnell planen, wie man diese Forderungen erfüllen kann. Im Anschluss müssen Aufträge an die Industrie. Je eher, je besser. Und dann kommt die Phase, wo man Geduld braucht. Ich bin mir sicher, selbst wenn das alles jetzt optimal verläuft, wird es noch mindestens zehn Jahre dauern, bis Deutschland wieder eine schlagkräftige Armee hat. Aber bei dem Politzirkus den wir tagtäglich erleben, dürfte selbst das nicht klappen.
Kaputt machen ist eben einfach. Wiederaufbau ist dagegen höchst kompliziert.

Nachtrag

Eines habe ich noch vergessen. Die Bundeswehr hat sich über die Jahre einen riesigen Wasserkopf angeeignet. der ist natürlich hinderlich für sämtliche Planungsvorgänge. Der muss wieder deutlich verschlankt werden. Dass es dabei an Pfründe der Generalität geht ist unumgänglich. Und dafür braucht der Minister einen richtige Arsch in der Hose. Aber das gibt es in der Politik ja wohl nicht mehr.

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