Bin gestern auf ein Kreuzfahrtschiff gestiegen. Sind seit der letzten Nacht unterwegs. Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass das Schiff schlingert. Vielleicht fahren wir im Kreis. Ich will es wissen.
Ich suche den Kapitän
Olaf soll er heißen. Gestern habe ich ihn noch im Bord-TV gesehen. Ruhig, fast schüchtern und völlig emotionslos hat er da gesprochen. Es sei alles in Ordnung und er wünsche uns eine gute Reise.
Jetzt ist er nicht auffindbar. Ich wollte ihn schon früher aufsuchen, wegen des schlechten Check-ins. Ich habe ihn aber auch da schon nicht gefunden.
Auf der Brücke
Nicht viel los da. Internationales Personal. Der erste Wachoffizier ist eine Frau. Wo der Kapitän ist, weiß sie auch nicht. Ob wir im Kreis fahren? Nein auf keinen Fall. Sie lässt mich aus dem Fenster schauen. Nichts zu sehen, Nebel. Wir fahren immer nach vorne, so der erste Offizier. Oder muss es jetzt heißen die erste Offizierin? Ich frage sie, ob sie mit den unterschiedlichen Nationen klar kommt. Sie meint, sie komme vom Völkerrecht… So richtig kompetent erscheint sie mir nicht.
Jedenfalls, den Kapitän habe sie seit dem Ablegen auch nicht mehr gesehen.
An der Rezeption
Ich gehe zurück zum Empfang. Es scheinen immer noch nicht alle eingecheckt. Diesmal sollen mehr Osteuropäer, dafür aber weniger Afrikaner gekommen sein. Vor allem kamen mit einem Schlag so viele. Wo ist denn der zuständige Offizier? Die Mannschaft brauche den Offizier nicht, der störe nur. Zumindestens sagen sie das. Soll auch eine Frau sein, Nancy oder so ähnlich. Ist irgendwo auf der Steuerbordseite beschäftigt. Von Steuerbord lauert die größte Gefahr, soll sie gesagt haben. Was sie da sucht, weiß keiner.
Trotzdem es läuft nicht rund. Das Digitale System ist abgestürzt.
Eben kommt eine vom Roomservice an die Rezeption. In einem Zimmer läge noch einer, der nach der letzten Fahrt nicht ausgestiegen sei. Aber das Zimmer sei doch neu gebucht…
Das Chaos tue ich mir nicht weiter an. Ich suche den Kapitän.
Der Bordarzt
Unterwegs treffe ich auf den Bordarzt. Komischer Typ. Murmelt immer vor sich hin, es gäbe zu wenig Impfstoff. Und angeblich lauern überall Viren, hochgefährlich. Ist der Kapitän vielleicht krank, frage ich mich. Den Bordarzt will ich nicht fragen. Auf seinem Namensschild lese ich Klabautermann… Ich muss mich geirrt haben, den gibt es doch gar nicht. Oder ist es doch ein schlechtes Omen. Nein, ich verwerfe den Gedanken. Es muss ein Irrtum sein. Ich bin dem Grunde nach doch Optimist.
An Bord geht das Gerücht, dass er nicht einmal ein richtiger Arzt sein soll, man habe nur keinen Besseren gefunden. Komisch, aber so schlecht kommt mir das Schiff doch gar nicht vor. Oder haben die auch Fachkräftemangel?
Im Maschinenraum
Ich begebe mich weiter auf die Suche nach dem Kapitän. Es ist merkwürdig ruhig. Als wenn wir nur mit einer Maschine fahren. Vielleicht haben wir einen Maschinenschaden. Und vielleicht ist der Kapitän vor Ort. Ich treffe dort auf den Logistikoffizier. Seiner Sprache nach könnte er ein Philosoph sein, völlig untypisch für einen Schiffsoffizier. Der Kapitän sei nicht hier, erklärt er mir.
Ja, wir fahren nur mit halber Kraft. Eine Maschine sei abgeschaltet. Irgendwas hat mit der Treibstoffaufnahmeaufnahme nicht geklappt. So richtig habe ich das nicht verstanden. Die Kabinen würden aber weiterhin geheizt. Falls nötig müsste man halt die Maschinen stoppen. Sei aber kein Problem, man habe sich ausreichend mit Segeltuch eingedeckt. Jetzt müsse man nur noch Segel nähen, dann geht das schon.
Irgendwo im Hintergrund zetert einer. Ich glaube man ruft ihn Hubertus. Ist ja lustig, Hubertus auf einem Schiff. Ist Hubertus nicht der Schutzpatron der Jäger? Hier scheint er für die Arbeitskräfte zuständig zu sein. Er schimpft laut, man habe nicht die richtigen Arbeitskräfte bekommen können. Und die jetzt da sind, die kann man kaum verstehen. Und faul seien sie obendrein.
Tja, mit den Segeln kann das wohl noch dauern. Besser wäre es, wenn der Treibstoff ausreicht. Man muss wohl weiterhin sparen.
Da turnt noch so eine Tusnelda rum. Es scheint, als sei sie dem Logistigoffizier hörig. Ist wohl verantwortlich dafür, dass keiner Müll über die Bordwand wirft. So einen richtig wichtigen Job scheint die nicht zu haben. Der Phiolosoph spricht sie mit Anne an. Ist das die, die schon mal ein kleineres Schiff vor die Wand gefahren hat? Kann sein, ich weiß es nicht. Ich glaube, wenn die über Bord geht, merkt man das noch nicht einmal.
Den Kapitän habe ich immer noch gefunden.
Die Sicherheitskräfte
Ich will zurück in meine Kabine. Unterwegs treffe ich auf einen Typen, der laut flucht. Scheint einer von der Sicherheit zu sein. Keine Funkgeräte, nur einige wenige Pistolen und Munition wird rationiert. Was soll die Scheiße. Er flucht wie ein Kesselflicker. Wenn er das gewusst hätte, dann hätte er nicht angeheuert. Ich höre immer wieder den Namen Christine. Allzuviel scheint der nicht von der zu halten. Ich will das nicht mehr hören. Die sollen ihr Problem nicht zu meinem machen.
Die Küche
Ich habe Hunger. Also begebe ich mich in den großen Speisesaal. Das Essen gibt es in Buffetform. Eigentlich liebe ich das. Ich freue mich darauf. Aber die Auslage ist nicht das, was ich erwartet habe. Es entspricht auch nicht der Reisebeschreibung. Ich lasse den Küchenchef antraben. Der heult fast. Man habe beim Bunkern von Lebensmitteln Platz sparen müssen. Das Lager für Backwaren sei zur Hälfte mit Segeltuch gefüllt. Somit müsse man jetzt Mehl rationieren. Ich könne mich beim Schiffslogistiker beschweren.
War das nicht der Philosoph? Dann kann ich mir das sparen. OK, dann gibt es Schmalhans Küche.
Außerdem hätten die so einen neuen Ernährungsberater, erklärt mir der Küchenchef. Ich glaube der war Ausländer. Cem hat der Küchenmeister gesagt. Der sei der Meinung, es sei viel gesünder, weniger zu essen. Weniger Fleisch, weniger Kohlenhydrate.
Also, dass da ein Plan dahinter steckt, glaube ich nicht. Ich glaub nur, dass man so verdecken will, dass man voll in die Tonne gegriffen hat.
Ich sitze an meinem Tisch
Zumindest ist der Wein ordentlich. Steht Reserva drauf. Ist wohl von der letzten Fahrt übrig geblieben, Reserva. Schmeckt aber trotzdem gut.
Kommt so ein Typ und fragt, ob er sich dazu setzen könne. Er stellt sich vor, er sei der Zahlmeister. Ich meine mich erinnern zu können, dass er sich mit Christian vorgestellt hat. Wie dem auch sei. Die Finanzlage sei angespannt. Der Großeinkauf von Segelleinen habe halt große Löcher gerissen. Und der andere Treibstoff sei kaum noch bezahlbar. Man habe mit dem Segeltuchproduzenten einen Vertrag gemacht. Er würde die Kosten zunächst vorschießen. Aber das muss doch trotzdem irgendwann bezahlt werden. Da antwortet der, ja, das können man dann tun, wenn man keinen Treibstoff mehr kaufen müsse. Der Wind koste ja nichts.
Aber bis dahin…? Irgendwie erscheint mir das nicht seriös. Im Notfall könne man ja eine einmalige Umlage auf die Preise draufschlagen. Also, der Typ ist schon ein gewiefter Finanzjongleur. Dem würde ich zumindest mein Geld nicht anvertrauen. Oder tue ich das bereits mit der Bezahlung meiner Reise?
Ich erreiche meine Kabine
Den Kapitän habe ich immer noch nicht gefunden.
Lieber Gott, lass das alles nur ein Traum sein. Das kann doch nicht wirklich passieren.
Ich wache schweißgebadet auf. Ich hatte einen Alptraum. Freudig betrachte ich meine Umgebung. Ja, das mit dem Schiff war wirklich nur ein Traum.
Mir blieb das Lachen im Halse stecken. Eine treffende und gute Geschichte. Chapeau!