War der russische Angriff vorbereitet?

„Das angriffsweise Vorgehen elektrisiert die Gemüter, aber die Erfahrung hat gezeigt, dass diese gehobene Stimmung bei überaus großen Verlusten in das volle Gegenteil umschlagen kann.“
Helmuth Graf von Moltke (preußischer General)

Im Krieg werden sie nur schwerlich die Wahrheit erfahren. Der Aggressor wird seine Erfolge immer größer darstellen, als sie in Wirklichkeit sind. Zum einen will er den Gegner beeindrucken, aber auch seine eigenen Kräfte zusätzlich motivieren. Im Ukraine-Konflikt verfolgt Russland aber ein weiteres Ziel. Der Russe will dem gesamten Westen, insbesondere der NATO und der EU, zeigen, wie stark er ist. Er will zeigen, dass er seine Ziele auf jeden Fall erreicht.

Der Verteidiger macht das natürlich auch. Er wird die gegnerischen Erfolge bewusst kleinreden. Zum einen will er die Gegenseite demoralisieren, wie er die eigenen Kräfte motivieren will. Erfolge geben Kraft.

Genau das passiert derzeit in der Ukraine. Deshalb ist es auch so schwierig, die Lage wirklich wahrhaft zu beurteilen. Man ist auf spärliche Presseinformationen angewiesen, die je nach Seite gegensätzlich lauten können.

Der Beginn des Angriffs

In der Nacht vom 22. auf den 23. Februar beginnt Russland mit Luftschlägen. Zunächst soll die ukrainische Luftverteidigung ausgeschaltet werden. Das scheint zumindestens in Teilen zu gelingen. Ich hatte da schon in einem früheren Bericht die Frage gestellt, warum die ukrainischen Kräfte so schlecht vorbereitet gewesen seien. Und dann beginnt der Angriff zu Lande.

Wieviele Soldaten?

Wieviele Soldaten auf russischer Seite beteiligt sind, weiß keiner so genau. Vor dem Angriff sprach man von 100.000. In einer Beurteilung schloss ich daraufhin aus, dass Russland damit einen groß angelegten Angriff starten könne. Mittlerweile spricht man von 180.000. Wenn ich aber die Angriffe betrachte, dieser Bericht bei Tichys Einblick zeigt die Lage recht gut, dann können es durchaus auch mehr sein.

Auf ukrainischer Seite können es eigentlich maximal 200.000 sein, da die ukrainische Armee nicht mehr Soldaten hat. Wieviele Freiwillige aufgrund der Generalmobilmachung rekrutiert werden konnten, vermag ich nicht zu beurteilen.

Die derzeitige Lage

Quelle: Tichys Einblick

Nach Medienberichten ist der Angriff schon frühzeitig zum Stehen gekommen. Wirklich große Erfolge kann Russland nicht verzeichnen. Die großen Städte Kiew, Charkim und Odessa scheinen immer noch in der Hand ukrainischer Kräfte zu sein. Selbst im Donbas, einer eher russisch orientierten Region, kommt der Angriff nicht voran. Die Ukrainischen Kräfte kämpfen verbissen und geben nicht nach. Die russischen Erwartungen, dass sie von der Bevölkerung jubelnd begrüßt würden, sind wohl nicht eingetroffen. Auch im Donbas nicht. Möglicherweise hat Russland damit nicht gerechnet.
Wie dem auch sei, besonders gut vorbereitet scheint der Angriff nicht zu sein.

Wo sind die Fehler

So gibt es Hinweise, dass die russische Armee bei ihrem Vorgehen elementare Fehler gemacht haben könnte. Natürlich ist da viel Spekulation dabei. Trotzdem meine ich, dass man mal darüber nachdenken könnte. Auf die Idee, darüber zu schreiben, hat mich ein Beitrag bei Danisch gebracht. Den Link dazu hänge ich an. Ich halte ihn für ausgesprochen lesenswert.
Einige Aspekte werde ich aufgreifen.

Der Anmarsch

Nach Medienberichten waren Truppenteile der Russen zu Angriffsbeginn noch ca. 80 km von der Grenze entfernt. Das heißt der Anmarsch verbraucht schon eine Menge an Ressourcen. Und bitte glauben sie nicht, dass sie mit einer Panzerkolonne diese Strecke mal eben in einer Stunde zurücklegen. Da brauchen sie durchaus 2-3 Stunden, wenn nichts dazwischen kommt. Und wenn unterwegst keine Möglichkeit zum betanken ist, dann ist nach dem eigentlichen Angriffsbeginn die Reichweite schon erheblich begrenzt. Und das ist die erste Merkwürdigkeit. Ich habe bisher keine Bilder von größeren Tankfahrzeugen gesehen. Vielmehr gab es Bilder, wo einzelne Panzer motivationslos am Straßenrand standen.
Es gab auch Berichte, die besagten, dass bei einigen Verbänden schon etwa 30 km hinter der Grenze Schluss war. Hier muss irgendetwas schief gelaufen sein.

Ein historisches Beispiel

In meiner frühen militärischen Laufbahn, hatte ich die Möglichkeit, an einer kriegshistorischen Geländebesprechung teilzunehmen. Wir folgten dabei dem Weg der Heeresgruppe A durch die Ardennen bis zu deren Übergang über die Maas bei Sedan. Diese komplette Heeresgruppe musste durch Luxemburg und durch Belgien. (Vorstoss durch Ardennen 1940)

Auch da stellte sich das Problem mit der Betriebsstoffversorgung. Die entsprechenden Nachschubverbände sind daher den Panzern zunächst vorausgeeilt und haben Benzinkanister am Straßenrand abgeladen. Und wenn die LKW leer waren, fuhren sie auf anderen Straßen wieder zurück. Natürlich dürfte der eine oder andere Kannister abhanden gekommen sein. Aber bei den ausgelagerten Mengen war für die Truppe immer noch genug da.

Die Jahreszeit

Sie werden sich jetzt fragen, was hat das denn mit der Jahreszeit zu tun? Fragen sie einfach mal Bauern in der Nachbarschaft, warum die jetzt mit ihren Treckern nicht auf die Felder fahren. Richtig, die Böden sind zu nass, sie tragen nicht. Und selbst bei zwei Tagen Frost werden die nicht so stabil, dass sie einen Panzer tragen könnten. Um aber möglichst viel Feuer an den Feind zu bringen, muss sich ein Panzerangriff entfalten, er braucht Breite. Ist ein solcher Panzerverband aber auf eine Straße angewiesen, dann können maximal die ersten drei Panzer schießen. Das schränkt die Kampfkraft erheblich ein. Es bietet allerdings Möglichkeiten für kleine Trupps, beispielsweise mit Panzerfäusten. Wenn die Panzerverbände sich jetzt von abgesessener Infanterie sichern lassen, dann geht der ganze Angriffsschwung verloren. Das könnte der Grund sein, warum die russischen Kräfte nicht richtig vorwärts kommen.

Die Motivation der Truppe

Es gibt Gerüchte, dass viele Soldaten gar nicht wussten, dass es in einen Krieg geht. Gefangene sollen ausgesagt haben, dass man ihnen gesagt hätte, sie zögen in ein Manöver. Wenn man dann auch teilweise Bilder sieht, wie sich diese Einheiten bewegten, so gänzlich ohne Gefechtssicherung, dann könnte man das sogar glauben.

Und jetzt versetzen sie sich in deren Lage. Sie glauben, sie bewegen sich im Manöver und plötzlich wird auf sie geschossen. Da brauchen sie erst einmal eine Weile, bis sie das begreifen. Und trotz aller Propaganda wird ihnen die Sinnhaftigkeit ihres Tuns nicht wirklich klar. Die Motivation, der absolute Wille zu siegen, dürfte in diesem Falle nicht vorhanden sein.

Das dürfte auch den militärischen Führern klar geworden sein. Also hat Putin seine tschetschenischen Kumpels mit ins Gefecht eingeführt (Sagt man so). Bei denen handelt es sich um Muslime, die seien skrupelloser und rücksichtsloser. Ob die jetzt schon da sind oder nicht, ich weiß es nicht. Ich habe aber auch schon Nachrichten gehört, dass sie wohl vor Ort sind (im Donbas). Aber der Erfolg bleibt wohl immer noch aus.

Zusammenfassung

Ob der Angriff gut vorbereitet war, weiß ich nicht. Wenn man aber den Verlauf sieht, hat es nicht den Anschein. Vieles was dort passiert wirkt stümperhaft. Schon nach drei Tagen geht es nicht mehr vorwärts. Trotz Luftüberlegenheit, trotz deutlicher Überlegenheit an Kräften. Die Ukrainer tun das, was sie noch können. Sie verlegen sich auf Nadelstiche. Greifen mit kleinen Trupps immer wieder an und führen den Russen ordentlich Verluste zu. Auf Dauer werden sie den Kampf aber nicht gewinnen können. Vielleicht aber doch.

Noch ein kurzer Blick nach Europa

Überall in Europe finden Demonstrationen statt. Demonstrationen für den Frieden. Ukrainische Flaggen werden hochgehalten. Öffentlich Gebäude werden in Blau-Gelb angestrahlt. Symbole.
Sie werden dem Ukrainischen Staat kaum helfen, dem gefallenen Soldaten schon gar nicht.
Wenn ihr schon was tun wollt, dann nehmt euch ein Gewehr und unterstützt die Ukrainer in ihrem Kampf. Das würde mehr helfen.
Stattdessen gehen tatsächlich hunderttausende auf die Straße und demonstrieren gegen Putin. Den wird das nicht stören, er weiß, dass er der Arsch ist. Und den Ukrainern wird es nicht nützen.

Oder macht was ganz anderes. Fahrt zur Grenze, packt eine Frau mit ihren Kindern ein und gebt ihnen für die nächste Zeit ein sicheres zuhause. Es soll tatsächlich schon solche Fälle gegeben haben.
Sie wissen wie ich zum Thema Flüchtlinge stehe. Aber dieser Fall ist das ganz was anderes. Sollte mich einer fragen, ob ich eine betroffene Kleinfamilie bei mir aufnehmen könnte, dann würde ich das tun, sofort und ohne Kommentar. Schön wäre es, wenn die Familie deutsch oder englisch sprechen könnte, wegen der Verständigung. Es gibt viele Möglichkeiten zu Helfen. Demonstrieren hilft keinem.

Noch eine Merkwürdigkeit

Die derzeitigen Demonstrationen zur Solidarisierungmit der Ukraine werden wohl alle genehmigt, selbst mit 100.000 Teilnehmern. Wenn man aber für seine Grundrechte eintritt, dann ist man ein „Rechter“. Deshalb werde ich heute nicht demonstrieren gehen. Deutschland, das große Land der Moral. Wie ich dich liebe.

https://www.danisch.de/blog/2022/02/27/angriffsanalyse-ist-der-russische-angriff-ein-geplatzter-und-deshalb-entbluffter-bluff/ – more-48373

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