Die Auferstehung der Bundeswehr?

„Auferstehung ist nicht billig –erspar dir die Spesen der Hauptprobe.“
Walter Fürst (schweizer Aphoristiker)

Gestern gab es eine Regierungserklärung im deutschen Bundestag. Erstaunlich, man tagte an einem Sonntag. Natürlich ging es um die Ukraine-Krise und um Sanktionen. Ich will mich nicht in Einzelheiten verzetteln. Aber es passierte erstaunliches. Man stellte durch die Bank fest, dass Deutschland wohl nicht nur von Freunden umzingelt ist. Man musste sich zu der Erkenntnis durchringen, dass zumindest einer der „Freunde“ uns wohl nicht so freundlich gesinnt ist.

Bis vor kurzem wurde man noch als Verschwörungstheoretiker abgetan, wenn man die Abhängigkeit von Russland kritisierte. Ich selbst stand der Verbindung zu Russland auch nicht skeptisch genug gegenüber. Dass Deutschland aber seit 1990 seine eigene Sicherheit vernachlässigte, das stieß mir schon immer sauer auf. Als dann 2014 die Flüchtlingskrise, übrigens durch Merkel selbst gemacht, kam, da sagte ich häufiger:“ Für allen Scheiß geben wir Geld aus, aber für die eigene Sicherheit bleibt nichts mehr übrig.“ Das galt damals nicht nur für das Militär, das galt gleichermaßen für die Polizei.

Eine ernüchternde Erkenntnis

Ein schlagender Satz der Politik in der Vergangenheit war immer, solche Krisen könne man nicht militärisch lösen. Man müsse sie politisch lösen.
Dazu eine Bemerkung. Militär ist ein politisches Mittel. Militär wird von der Politik eingesetzt. Das Parlament entscheidet über den Einsatz von Streitkräften. Den Streitkräften ist es lieber, wenn sie nicht eingesetzt werden. Das ist nämlich ungefährlicher.
Dazu hat Carl von Clausewitz gesagt: „Krieg ist die Weiterführung der Politik mit anderen Mitteln.“ Also, Streitkräfte sind ein politisches Mittel, wenn auch eines von Vielen.
Wie dem auch sei, die Politik meinte bisher, man könne solche Konflikte ausschließlich diplomatisch lösen. Man müsse reden. Das hat man mit Russland getan. Man hat Baerbock und Scholz zu Putin geschickt. Und was haben sich die Medien überschlagen ob des vermeintlichen Erfolges. Und was ist das Ergebnis? Der Erfgolg ist gleich null. Putin hat doch gemacht was er will. Warum auch immer.

Jetzt muss man erkennen, dass man nur Verhandlungserfolg haben kann, wenn man dem anderen etwas entgegensetzen kann. In der Ukraine-Krise ist das leider auch militärische Macht. Anders lässt sich Putin nicht mehr beeindrucken. Warum auch? Der Westen ist doch abhängig von seinen Rohstoffen.
Ihr lieben Linken, dazu gehört auch die SPD, eigentlich auch die Merkel-CDU, und Grünen, jetzt hat eure Diplomatie tatsächlich nicht funktioniert. Und jetzt?
Wir brauchen die Bundeswehr.

Der Schock

Jetzt hat man sich schweren Herzens dazu durchgerungen, die Bundeswehr als politisches Mittel anzuerkennen. Man hat endlich erkannt, dass auch die Landesverteidigung ein wesentlicher Teil der nationalen Sicherheit ist. Und jetzt kommt aus unterschiedlichsten Kanälen die Meldung, dass die Bundeswehr das gar nicht mehr kann. Wie ich schon sagte, für irgendwelchen Scheiß hat man die eigene Sicherheit vernachlässigt. Der Kanzler hat das in der gestrigen Regierungserklärung sehr deutlich gemacht. Man müsse die Bundeswehr jetzt mit Kraft wieder zu ihrem eigentlichen Auftrag befähigen. Dafür werden dann schnell mal 100 Mrd Euro bereitgestellt. In einem Sondervermögen. Das sind zwar auch Schulden, hört sich aber besser an.

In meinen weiteren Ausführungen will ich beschreiben, wie es zu diesem Niedergang der Streitkräfte kam und was meiner Meinung nach in Zukunft geschen muss. Mit dem zeitlichen Ansatz möchte ich hierbei beginnen.

Der zeitliche Ansatz

Die Bundeswehr hat zwar auf dem Papier noch einige Truppenteile, die für die Landesverteidigung befähigt sind. Allerdings verfügt kaum noch ein Truppenteil über ausreichend Material, dass er sofort ausrücken könnte. Für die VHJTF (Very High Readiness Joint Task Force), ein Element der NATO-Verteidigung, stellt die Bundeswehr derzeit eine Brigade ab. Um diese voll einsatzfähig zu machen, musste sie Material aus dem gesamten Heer zusammenleihen. Auch Großgerät ist nicht mehr zu 100 Prozent verfügbar. Man kann davon ausgehen, dass in den Kampfbataillonen (400-800 Mann) ein Drittel des Großgerätes fehlt. Nicht weil es kaputt ist, nein, es ist nicht da. Und dann ist das Gerät auch teilweise veraltet. Neubeschaffungen laufen zwar, werden aufgrund Geldmangels aber häufig gestreckt.

Nur ein Beispiel: Die Marine beschafft neue U-Boote, technisch absolut hochwertig. Dass die nicht alle zur gleichen Zeit vom Stapel laufen ist klar. Aber dass das letzte Boot 15 Jahre nach dem Roll-out die Truppe erreicht ist einfach zu spät. Dann ist nämlich das erste schon wieder veraltet.

Jetzt haben wir die Streitkräfte eigentlich 30 Jahre lang nach und nach abgewirtschaftet. Ich meine dabei nicht, dass sie verkleinert worden sind. Das war aufgrund der Sicherheitslage durchaus angebracht. Aber dass man die verbliebenen Kräfte so abgewirtschaftet hat, ist durch nichts zu entschuldigen. Was man aber über einen solangen Zeitraum vernachlässigt hat, lässt sich so ohne weiteres nicht wieder aufbauen. Ich gehe davon aus, dass das mindestens 15 Jahre dauern wird. Das hat auch Gründe im vorhandenen Personal, dazu aber später mehr. Also gehen wir einmal von mindestens 15 Jahren aus. Ob das Geld dann reicht, bleibt abzuwarten.

Die Industrie

Krieg ist geächtet. Das ist richtig, und da gibt es keine Diskussion. Dass man aber gleichermaßen die Rüstungsindustrie ächtet, halte ich für falsch. Allerdings ist genau das in der EU passiert. Da wo alles sozial, woke und sonst noch was sein soll, da ist für die Rüstungsindustrie nicht wirklich Platz. Darüber hinaus hat die Rüstungsindustrie nur noch wenige Aufträge für Neuentwicklungen bekommen. Damit lässt sich allerdings dann nicht wirtschaftlich arbeiten. Also haben sich die Unternehmen auch andere Standbeine verschafft. Das Know-How für Rüstungsgüter ist dadurch teiweise verloren gegangen. Das Gleiche gilt auch für Produktionskapazitäten. Wenn weniger gebraucht wird, dann wird auch weniger produziert. So ist die Industrie auch nicht in der Lage, mal so eben 150 Panzer zu bauen. Das geschieht so nach und nach. Und kommt es zu einer Großbestellung, dann braucht das eben Zeit. Wer viel will, der muss auch für eine kontinuierliche Abnahme sorgen.

Trotzdem will ich die Industrie nicht schlechter machen als sie ist. Für die Einsätze im Kosovo und in Afghanistan wurden relativ schnell neue Fahrzeuge entwickelt. Als Beispiel möge der Dingo dienen, der in kürzester Zeit auf dem Markt war.

Quelle: Wikipedia

Im Einsatz durchlief er die Testphase. Und spätestens mit der zweiten Version hatten wir ein brauchbares geschütztes Fahrzeug für die Infanterie. Auch wenn nicht alles perfekt war, das Fahrzeug war für diesen Einsatz absolut brauchbar.

Also, die Industrie kann, wenn sie Aufträge erhält. Für größere Geschichten benötigt sie allerdings einen Vorlauf. Aber so wie ich unsere Wirtschaft kenne, in spätestens einem Jahr legen die los. Wenn man sie lässt. Da sehe ich die kleinsten Probleme.

Das Material

Was haben wir in den Vergangenen Jahren so alles gehört. Flugzeuge, die nicht fliegen, Gewehre, die nicht schießen, und, und, und…
Vieles davon ist überzogen dargestellt. Viele Geräte brauchten auch in der Truppe erst einmal eine Anlaufzeit.

Das Gewehr G36

Nehmen wir mal als Beispiel das Gewehr G36. Es wurde behauptet, dass die Präzision dieser Waffe nicht ausreiche. Dazu nur eines. Diese Waffe ist ein Sturmgewehr. Sie muss in der Lage sein schnell zu schießen. Das geht natürlich zu Lasten der Präzision. Wenn ich aber Feuerstöße abgebe, dann spielt Präzision überhaupt keine Rolle. Dafür gibt es spezielle Scharfschützengewehre. Die haben aber auch andere Kaliber.

Der Leopard 2

Betrachten wir auch einmal den Kampfpanzer Leopard 2.

Quelle: Wikipedia

Nach wie vor ist dieser Kampfpanzer einer der Besten weltweit. Natürlich ist der immer wieder verbessert worden. Aber die Grundkonstruktion besteht immer noch. Problem ist in der Bundeswehr, dass es davon so viele unterschiedliche Versionen gibt. Das hängt mit den ewig langen Auslieferungszeiten zusammen. Das muss erheblich beschleunigt werden. Maximal drei Versionen darf es in einer funktionierende Armee geben. Auch wenn es im Frieden verboten ist, wirtschaftliche Gründe, muss es im Kriege möglich sein, aus zwei kaputten einen ganzen Panzer zu machen. Kannibalisierung nennt man das.
Also, warum was neues? Der Panzer ist gut. Bringen wir eine aktuelle Version in die Truppe. Und in zwei Jahre haben wir die Hälfte der Bagger (Panzer laufen auf Ketten) umgerüstet oder ersetzt. Das muss gelingen.

Der GTK-Boxer

Natürlich gibt es auch Neuentwicklungen. Ein Beispiel ist der GTK Boxer.

Quelle: Wikipedia

Ein Modulares Fahrzeug, auf dem vieles aufgebaut werden kann. Als Ersatz für den Marder, als Sanitätsfahrzeug, vieles ist da möglich. Hier geht die Bundeswehr den Weg, ein Grundfahrzeug zu haben, was dann für verschiedene Zwecke ausgerüstet werden kann. Aber der Fuhrpark wird dadurch einheitlicher. Ob der Boxer gut oder schlecht ist, weiß ich nicht. Ich habe ihn in der Truppe nicht mehr erlebt. Er ist allerdings sehr groß, und nicht in jedem Eisatzgebiet verwendbar. Für die Landesverteidigung ist ein solches Auto absolut unabdingbar.

Ich könnte jetzt noch viele Beispiele anführen. Das würde dann aber viel zu umfangreich. Was ich allerdings festhalten möchte: Das Gerät der Bundeswehr ist nicht grundsätzlich schlecht. Allerdings lässt der Zustand häufig zu wünschen über (Instandsetzungskosten) und es ist oft nicht genug da. Wenn ein Panzerbataillon gerade einmal zwei Kompanien ausstatten kann, dann fehlt halt ein Drittel Kampfkraft.

Nur mal so am Rande. Wenn sie heute zum Piloten ausgebildet werden und dann in die Truppe kommen, dann fehlen häufig die Fluggeräte für die typenbezogene Einweisung. Ich habe ausgebildete Piloten erlebt, die im Regiments- oder Geschwaderstab arbeiteten. Das ist dann aber Perlen vor die Säue werfen.

Das Personal

Als ich zur 1979 zur Bundeswehr Bundeswehr kam, da waren wir noch mitten im Kalten Krieg. Natürlich wurden wir an unseren Waffen fit gemacht. Natürlich hat man auch versucht, unsere körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Aber man hat sich auch bemüht, uns näher zubringen, wofür wir kämpfen sollten. Wir waren Verteidiger der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“. Wir sollten unsere Außengrenzen gegen jedwedigen Feind verteidigen. Natürlich war das in erster Linie der Warschauer Pakt. Ich war bis zur Wiedervereinigung immer davon überzeugt, das richtige zu tun. Und das habe ich später als militärischer Führer auch meinen Soldaten weitergegeben. Was Motivation bewirken kann, sieht man derzeit an der ukrainischen Armee. Die kämpfen verbissen, auch gegen überlegenen Feind. Wenn man den Berichten in den Medien glauben kann, dann sieht das auf russischer Seite deutlich anders aus.

Natürlich sind Soldaten ein Spiegelbild der Gesellschaft. Und wenn man mal sieht, wohin die politische Mitte gewandert ist, meines Erachtens noch links der SPD aus den siebzigern, dann darf man nicht erwarten, dass das an den jungen Soldaten vorbei geht. Die Soldaten heute sind deutlich freizeitorientierter als früher. Wenn man denen erzählt, dass zu meiner Zeit der Samstag noch Regelarbeitstag war, dann erntet man Blicke, als käme man von einem anderen Stern. Und viele betrachten den Soldatenberuf als Job. Überzeugt muss man davon nicht mehr sein. Hauptsache das Geld stimmt. Bei der heutigen politischen Lage, kann ich das sogar verstehen. Ich persönlich wollte unter dieser politischen Führung nicht mehr arbeiten.

Die Personalstärken

Bis 1989 hatte die Bundeswehr ca 370.000 Soldaten. Dazu kamen noch einmal 500.000 Reservisten. Diese waren in speziellen gekaderten Verbänden beheimatet. Die wenigsten hatten ihren Platz in den aktiven Bataillonen. Und sie können sich sicher sein, die Masse der Dienstposten war besetzt. Auch wenn es damals schon die eine oder andere Karteileiche gab. Heute hat die Bundeswehr 180.000 Dienstposten für Soldaten. Die Verwaltung müssen wir nicht berücksichtigen, die kämpft ja nicht mit. Von diesen Dienstposten sind allerdings nicht einmal alle besetzt. Und die sollen in der Landesverteidigung jetzt das leisten, was vormals fast 900.000 Soldaten geleistet hätten. Das ist ein mutiger Ansatz.

Darüber hinaus sollte man wissen, dass die Nachwuchsgewinnung nicht einfacher, sondern schwerer wird. Auch die Bundeswehr ist vom demographischen Wandel betroffen. Und nach wie vor hat sich die Zuwanderung mit den Hochqualifizierten aus Afghanistan, Syrien oder Afrika nicht ausgewirkt.

Die alten Aufgaben

Wir gehen also zurück in die Landesverteidigung. Das ist ein Geschäft, das haben unsere Soldaten zum größten Teil nicht mehr erlebt. Die alten weißen Männer, die das Szenar noch kennen sind jetzt mit Masse im Ruhestand. Wenn man sich jetzt also auf all diese Dinge zurückbesinnen will, dann ist das gleichzusetzen mit einem Neuanfang. Aber die Alten wollte man ja loswerden. Die sind jetzt weg. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die jetzt zurückkommen. Zumindestens nicht als billiger Reservist. Wenn die mich haben wollen, dann müssen die ordentlich bezahlen. Und Uniform ziehe ich auch nicht mehr an. Wenn die Truppe wissen will, wie das mit diesen Beratern geht, brauchen sie ja nur von der Leyen fragen.

Vielleicht ein Beispiel aus der Geschichte. Als die deutsche Wehrmacht die Engländer in die Nordsee getrieben hatte (Dünkirchen), da hatten die Engländer alles Material an der Küste zurückgelassen. Das Personal ist aber nahezu vollständig ausgeschifft worden. Mit diesen Soldaten, Offizieren und Unteroffizieren war es möglich, sehr schnell wieder eine schlagkräftige Armee aufzustellen. Das Material bekamen sie aus den USA.

Bei der Bundeswehr sieht das deutlich anders aus. Das Personal, das dieses alte Szenar noch kennt, ist weg. Vor kurzem bekam ich sogar einen Anruf von einem Kameraden. Der fragte nach einer uralten Vorschrift. Ich kannte die noch. Sie war aber schon zu meiner aktiven Zeit außer Kraft gesetzt. Ich hatte mir trotzdem eine Kopie aufgehoben. Mein Nachfolger hat sie wohl vernichtet. Jetzt würde sie dringend gebraucht.

Genau aus diesen Gründen wird es Zeit brauchen, bis das Personal wieder Landesverteidigung kann. Schwierig wird das alleine dadurch, dass selbst Offiziere und Unteroffiziere das Szenar nicht mehr kennen. Die Bundeswehr muss sich also wieder einmal neu erfinden.

Zusammenfassung

Wieder einmal muss ich erkennen, dass der Beitrag länger wird als gedacht. Deshalb spare ich mir meine Überlegungen für die Zukunft an dieser Stelle. Das werde ich in einem weiteren Beitrag tun.

Bis hierher bleibt festzuhalten, dass endlich erkannt ist, dass die Landesverteidigung nach wie vor eine Rolle in Europa spielt. Ich habe allerdings die Befürchtung, dass der Regierung und dem Parlament nicht klar ist, was da so alles auf uns zurollt. 100 Mrd ist da erst ein Anfang. Ausreichen wird das nicht.

Was mich freut ist, das die Linksgrünen auf den Boden der Tatsachen geholt worden sind. Auch wenn an gewissen Irrtümern immer noch festgehalten wird. Und schön ist, dass ausgerechnet die Grünen mit in der Regierung sind, wenn jetzt Beschlüsse für das Militär gefasst werden müssen. Ich bin mal gespannt, wie die das ihrer Klientel verkaufen. Ach ja, eine Kohle und Gasreserve will man schaffen, sagt Habeck. Ich erinnere mich noch, wir hatten mal eine strategische Ölreserve. Was ist eigentlich daraus geworden?

Auch für die Grünwähler habe ich noch einen. Übrigens, der Gaspreis steigt weiter… Geliefert wie bestellt.

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