Würden sie sich ein Lastenfahrrad kaufen?
„Radfahren ist ein großer Teil der Zukunft. Es muss so sein. Es läuft etwas falsch in einer Gesellschaft, die mit dem Auto zum Training ins Fitnessstudio fährt.“
Bill Nye
Mal abgesehen vom Sport
Die Energiewende fordert von uns, nach Mobilitätsalternativen zu suchen. Nicht immer das Auto zu benutzen. Lieber auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Und für kurze Strecken eignet sich doch das Fahrrad. Selbst einkaufen könnte man damit. Es gibt doch Lastenfahrräder. Das die Nutzung von Fahrrädern auch noch einen Gewinn für die eigene Gesundheit bringt, wird gerne als zusätzliches Argument herangezogen. Ich will mich heute einmal mit dem Thema „Lastenfahrrad“ beschäftigen.
Mein eigenes Mobilitätsverhalten
Ich bin mittlerweile Pensionär. Somit benötige ich mein Auto eher selten. Ich erreiche kaum eine Fahrleistung von 9.000 km jährlich.
Ich nutze das Auto, wenn ich meine Kinder und Enkel besuche. Das sind dann aber Strecken von gut 30, bzw. 80 Kilometern. Natürlich transportiert man da auch unter Umständen größere Gegenstände. Kinderwagen, Bollerwagen oder Ähnliches. Dafür ist das Lastenfahrrad schon weniger geeignet. Und wenn sie mit Gepäck reisen, dann ist die Ladekapazität ihres Lastenfahrrades auch begrenzt. Außerdem reise ich selten alleine, meistens ist meine Frau mit von der Partie. Dann würden wir schon zwei Lastenfahrräder benötigen.
Einkaufen gehen wir einmal wöchentlich. Da kaufen wir den ganzen Wochenbedarf ein. Da sind die Kapazitäten eines Lastenfahrrades schnell überschritten. Insbesondere beim Getränkeeinkauf. Da kaufe ich schon fast einen Monatsbedarf ein. Vier Kästen Wasser, eine Kiste Bier oder Mixis, da dürfte ein Lastenfahrrad völlig überfordert sein.
Kleinere Besorgungen wie Arztbesuche oder Medikamenteneinkauf erledige ich mit dem Fahrrad, soweit das Wetter entsprechend ist. Dafür habe ich nicht einmal ein E-Bike. Im Winter oder bei Regen nehme ich dann aber lieber doch das Auto. Da würde aber auch ein Lastenfahrrad nicht helfen.
Wie sie schon jetzt erkennen können, ist für mich ein Lastenfahrrad nicht angesagt.
Meine Frau arbeitet noch. Sie erreicht ihre Arbeitsstelle im Sommer mit dem Fahrrad, auch kein E-Bike. Im Winter nutzt sie das hier angebotene Schiet-Wetter-Ticket für den Bus.
Probleme bei den Lastenfahrrädern
Wenn sie sich heute ein halbwegs vernünftiges Lastenfahrrad kaufen wollen, dann werden sie feststellen, dass die Dinger ziemlich schwer sind. Ein normales City-Bike wiegt um die 15 Kilo. Wenn sie ein vergleichbares E-Bike nehmen, dann sind das schnell mal 30 Kilo. Und ein Lastenfahrrad kommt dann schon auf mindestens 60 Kilo. So ein Fahrrad bewegen sie dann schon nicht mehr mit reiner Muskelkraft. Schon gar nicht, wenn sie möglicherweise am Berg wohnen. Es muss dann schon ein E-Bike sein. Und natürlich wollen sie ja auch ein wenig Reichweite. Die billigsten Varianten, die ich da im Internet gefunden habe, kommen auf etwa 2.000 Euro. Wenn sie aber etwas Vernünftiges haben wollen, dann können sie ohne Probleme 4.000 – 5.000 Euro anlegen. Und da sind sie noch nicht bei der Spitzenklasse. Für das Geld bekommen sie schon einen gebrauchten Kleinwagen, mit dem sie deutlich mehr transportieren können.
Jetzt haben sie sich so ein Teil gekauft. Wo stellen sie das ab? Wenn sie ländlich wohnen, dann haben sie vielleicht eine Garage. Dann steht aber das Auto vor der Tür. Aber vielleicht wohnen sie ja in der Stadt. Möglicherweise in einem Wohnblock. Vielleicht haben sie dort sogar einen Fahrradkeller. Nur wie bekommen sie das Teil dann dahin? Erstens sind die Dinger sperrig, so ein Teil ist unter Umständen zwei Meter lang und einen Meter breit. Und dann kommt das Gewicht, 60 Kilo oder auch mehr. Und jetzt wollen sie das Ding die Kellertreppe runter in den Fahrradkeller wuchten. Na, herzlichen Glückwunsch.
Oder der Hauseigentümer schafft entsprechende Abstellmöglichkeiten. Dann nehmen sie einfach mal einen Wohnblock in Berlin mit 30 Wohneinheiten. Und jede Familie hat ein Lastenfahrrad. Sie benötigen also abschließbare Abstellflächen für 30 Lastenfahrräder. Da können sie schon fast ein Parkhaus bauen.
Ladung
Ich habe es einmal mit einem Fahrradanhänger versucht. Drei Wasserkästen und eine Bierkiste geladen und dann ging es los. Trotz Verzurrung der Ladung sind die Kisten ordentlich hin und hergesprungen. Die Flaschen haben das zwar ausgehalten, aber ein wenig lärmig war es schon. Man könnte sagen, das macht doch nichts. Okay, wer es mag. Allerdings kann ich maximal nur halb soviel laden, wie bei meinem Auto. Das heißt ich muss mehrfach fahren.
Ähnlich verhält sich das mit der Ladung auf einem Lastenfahrrad. Allerdings habe ich da die Ladung vor mir. Und wenn dann die Ladung nicht hundertprozentig sitzt, dann hat das unter Umständen Auswirkungen auf die Fahrstabilität. Da wäre mir ein Anhänger dann doch lieber.
Transport von Kindern
Viele Lastenräder haben auch die Möglichkeit, dass Kinder in den Ladeboxen transportiert werden können. Es gibt da sogar Anschnallmöglichkeiten. Trotzdem sehe ich da eine erhebliche Gefahr. Wenn sie Kinder im Auto mitnehmen wollen, dann müssen die hinten Sitzen. Natürlich in entsprechenden Sicherheitssitzen. Und ausgerechnet bei Fahrrädern, wo die Kinder in ihrer „Fahrgastzelle“ nur eingeschränkten Schutz finden, da dürfen sie vorne sitzen. Da frage ich mich dann schon, was sich der Gesetzgeber dabei gedacht hat.
2022 kam es gemäß einer Studie der Unfallforschung der Versicherer in Deutschland zu 222 Unfällen mit mitfahrenden Kindern. Zwölf von ihnen wurden schwer verletzt. Ursache dabei war auch, dass die Kinder häufig nicht angeschnallt waren und zudem keinen Helm trugen. Das sollte dann aber doch zu denken geben.
Geschwindigkeiten
Haben sie ein Tachometer an ihrem Fahrrad? Ich hatte das früher einmal. Ich habe damals versucht, eine Geschwindigkeit von über 20 km/h zu erreichen. Und damals war ich noch fit. Das war schon schwer genug. Selbst mit einer Shimano 7-Gang-Schaltung. Und jetzt steigen ältere Menschen auf ein Fahrrad um, welches ohne Probleme diese Geschwindigkeit erreicht. Das gilt auch für die Lastenräder. Da fahren Leute mit solch einem Gefährt 25 km/h, und sind sich häufig nicht im Klaren, was das für das Bremsen bedeutet. Ich habe einen Motorradführerschein. Da gehört das richtige Bremsen zur Fahrausbildung. Ich sehe hier ein erhebliches Gefahrenpotential. Und entsprechende Studien, ich habe im Moment leider keine parat, scheinen das zu bestätigen.
Fazit
Für mich persönlich ist das Lastenfahrrad keine Alternative. In der Anschaffung ist es zu teuer. Außerdem ist bei mir der Abstellplatz doch begrenzt. Und im Freien wollte ich so ein Teil nicht stehen lassen. Für den Normalgebrauch würde ich trotzdem noch ein weiteres Fahrrad benötigen. Und da ich ländlich wohne, benötige ich auch entsprechende Reichweiten. 50 km sind da schon ziemlich knapp.
Größere Güter kann ich auch nicht transportieren. Wenn ich aber wirklich aufs Fahrrad umsteigen wollte, dann würde ich mir eher einen Anhänger kaufen. Aber dann müsste ich auch schon wieder ein E-Bike haben. Ob das dann wirklich ein Vorteil wäre.
Ich glaube, ich bleibe beim Auto. Und für die kleineren Besorgungen benutze ich das ganz normale City-Bike. Wie gehabt.
Quelle: NIUS