„Was viele nicht wissen: Im Jahre 1874 wurde im Deutschen Reich die Impfung gegen Pocken gesetzlich festgeschrieben. Dadurch wurden die Pocken zwar ausgerottet, aber jetzt kommt der Hammer: Alle die sich 1874 impfen ließen, sind heute tot. Alle! Ich glaube ich bin da einer riesigen Sache auf der Spur.“
Autor unbekannt
Worum es geht
Im vergangenen Jahr wurde immer wieder diskutiert, ob der Föderalismus in Deutschland für die Krisenbewältigung nicht hinderlich sei. Die Frage, ob eine zentrale Führung nicht besser sei, war allgegenwärtig. Eine gern genommene Begründung war, die Länder würden sonst alle machen, was sie wollen. Und sie würden die Krise sowieso nicht gemanaged bekommen. In der Krise müsse zentral vom Bund geführt werden.
Ich bin der Meinung, dass es für die Bewältigung einer solchen Krise kein Geheimrezept gibt. Aber ich bin mir sicher, dass eine zentrale Führung nicht nur Vorteile hat. Die Schwäche in der Bewältigung der Corona-Krise lag nämlich nicht am Föderalismus, sondern viel mehr an den handelnden Personen. Wenn Regierungschefs ständig nach Möglichkeiten suchen, die Verantwortung auf andere abzuwälzen, insbesondere bei Misserfolgen ist das immer wieder zu erkennen, dann kann das beste System nicht funktionieren.
Und wenn wir Frankreich (Zentralstaat) und Deutschland (föderaler Staat) vergleichen, dann bleibt nur die Erkenntnis: so groß sind die Unterschiede nicht. Vielleicht sollten wir uns in diesem Zusammenhang mal die Schweiz anschauen.
Ich möchte jetzt einmal die Vor- und Nachteile eines Zentralstates erarbeiten, das Gleiche werde ich dann mit dem föderalen System tun.
Der Zentralstaat
Wo sind also die Vorteile bei einer zentralen Führung. Die beiden entscheidenden Vorteile liegen eindeutig im Tempo der Entscheidung und der Einheitlichkeit. Das war bei vielen das Argument für genau diesen Weg. Sie erinnern sich an die ewige Diskussion über den Flickenteppich Deutschland.
Für den Entscheider bzw. das Entscheidungsgremium, in unserem Fall geht es um die Bundesregierung, ist es dann allerdings absolut erforderlich, dass regionale Besonderheiten bekannt sind und auch berücksichtigt werden. Man muss sich über Besonderheiten auf Sylt genau so im Klaren sein wie mit denen in Berchtesgaden. Das ist der entscheidende Schwachpunkt in dieser Geschichte. In Neuseeland mit seinen 4,9 Mio Einwohnern mag das noch gehen. In einem Staat mit 83 Mio Einwohnern wird das schon erheblich schwieriger. Das haben die unseligen Diskussionen zwischen den Ministerpräsidenten und der Kanzlerin eindrucksvoll gezeigt.
Wie kann man dieses Dilemma lösen. Man schafft ein Gesetz, für alle einheitlich. Man muss dann aber unzählige Anlagen beifügen, damit jegliche Besonderheit berücksichtigt ist. Ein solches Gesetz würde wahrscheinlich ein Dokument mit einer Seitenzahl im oberen zweistelligen Bereich.
Das Gestz hat man geschaffen, die Anlagen wurden vergessen.
Tut man das nicht und schert alle über einen Kamm, dann wird das der Akzeptanz in der Bevölkerung sicherlich nicht förderlich sein. Und damit haben wir auch schon den entscheidenden Schwachpunkt.
Der föderale Staat
In dieser Staatsform gibt es unterschiedliche Entscheidungsebenen. An diese kann und muss man Verantwortung übertragen. In unserem Grundgesetz ist das sogar geregelt. Das setzt aber Vertrauen voraus. An diesem hat es in der Corona-Krise gewaltig gemangelt. Der gewählte Landrat bzw. Oberbürgermeister wurde zu Handlanger, zur Marionette der Landesregierung. Warum haben die sich das gefallen lassen? Dafür sind sie nicht vom Volk gewählt.
In unserem Falle muss der Bund einen Rahmen stecken. Er muss Ziele vorgeben. Die Länder haben nun alles zu tun, um diese Ziele zu erreichen. Dabei geht es überhaupt nicht darum, wer ist der bessere, wer greift am härtesten durch. Es geht einzig und allein darum, dass das Ziel erreicht wird. Und die Länder hätten gut daran getan, ihre Kreise zu beteiligen. Wer kennt denn die Situation vor Ort am besten? Doch nicht der Ministerpräsident, sondern vielmehr der Landrat.
Ich hatte immer das Gefühl, dass die Ländechefs so eine Art Wettkampf veranstalteten, wer denn nun der beste sei. Der Bayer kam immer mit den schärfsten Regeln, erfolgreicher war er trotzdem nicht. Warum haben die Bayern sich das gefallen lassen?
Vielleicht ist doch etwas an der folgenden Geschichte dran. Als Hannibal über die Alpen ziehen wollte hat er an deren Fuße eine Rast eingelegt. Er fällte die Entscheidung, „Fuß- und Geschlechtskranke bleiben hier, der Rest zieht mit mir nach Rom“. Das Ergebnis kennen sie.
Ein typisches Beispiel (Details im Link)
Im Landkreis Diepholz kommt es zu über 100 Neuinfektionen in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Die Inzidenz geht wieder über 100. Nach drei Tagen kommt die vom Bund festgelegte Notbremse. Obwohl der Herd des Ausbruchs eindeutig identifizierbar ist, obwohl man die Betroffenen klar von den anderen trennen kann, es gibt keine Möglichkeit, die Notbremse zu umgehen. Die Einheimischen sind logischerweise schwer begeistert.
Hätte man die föderalen Strukturen genutzt, es wäre in diesem Fall mit Sicherheit nicht zu einer Notbremse gekommen. Weil kann jetzt aber sagen, die Kanzlerin sei Schuld. Kommt der vielleicht auch aus Bayern?
Fazit
Beim Militär gibt es zwei Arten der Führung, die Auftragstaktik und die Befehlstaktik. Die Befehlstaktik entspricht in etwa dem zentralistischen System. Sie wird dort angewandt, wo das Vertrauen in den Unterbau nicht vorhanden ist. Sie hat aber den entscheidenden Nachteil, dass Fehler kaum erkannt werden, der Unterbau arbeitet ja nicht mit. Und selbst wenn Fehler erkannt werden ist es ungeheuer schwer, das Ganze wieder zu stoppen.
Auftragstaktik heißt nicht, dass jeder machen kann was er will. Allerdings heißt es für die übergeordnete Führung: nur soviel regeln wie nötig und so wenig regeln wie möglich. Das erfordert allerdings, dass der Unterbau entsprechend ausgebildet ist, und dass der übergeordnete Apparat dem Unterbau vertraut. Zumindest am Vertrauen hat es der Bundesregierung immer gefehlt.
Selbst beim Impfen wollte man alles unter Kontrolle haben, keiner sollte zu früh geimpft werden. Dadurch haben wir erheblich an Tempo verloren. Warum hat man den Amtsärzten auf Kreisebene nicht mehr Vertrauen geschenkt? Oder glaubte man, diese seien genauso korrupt wie man selbst? Möglich ist beides.
Mein Schlußresultat
Da ich aus meiner Zeit beim Militär die Auftragstaktik kenne und deren Vorteile zu schätzen weiß, bin ich ein absoluter Verfechter des föderalen Systems. Das erfordert manchmal Mut, und man muss die Fähigkeit haben, mit Widerspruch umzugehen. Leider fehlen unserer Kanzlerin beide Fähigkeiten. Deshalb hat sie sich ja auch mit unfähigen Ja-sagern umgeben.