Ukraine – kommt es zum großen Krieg? (Teil 2)

„Besser einander beschimpfen als einander beschießen.“
Winston Churchill

Gestern hatte ich mich mit der Frage der Truppenstärken befasst. Ich bin dabei zu dem Schluss gekommen, dass ein groß angelegter Angriff seitens Russlands nur schwerlich denkbar ist. In diesem Zusammenhang habe ich einen Beitrag auf AchGut gefunden, der das Ganze aus Sicht der Demographie betrachtet. Ich sehe das als Ergänzung, will darauf aber nicht weiter eingehen.

Die politische Dimension

Wie angekündigt will ich heute einige Gedanken zur politischen Dimension zu Papier bringen. Wenn man sich allerdings auf diesem Feld bewegt, dann ist vieles Spekulation. Man kann sich sehr schnell auf einem Holzweg befinden. Und man wird auch sehr schnell von der Aktualität überholt.

Die Ostprovinzen Luhansk und Donezk

Quelle: Wikipedia

Was sie auf dieser Karte erkennen können, ist der Bereich der Ukraine, in dem der russisch sprechende Bevölkerungsteil hoch ist. Man könnte das auch als russisches Interessensgebiet bezeichnen. Auch wenn sich momentan alles nur auf die beiden Provinzen Luhansk und Donetsk beschränkt, muss das nicht heißen, dass es auch dabei bleibt. Zur Zeit ist es aber so.

Ich selbst bin völlig von der Nachricht überrascht worden , dass Russland diese beiden „Volksrepubliken“ als selbstständige Staaten anerkannt hat. Ich möchte das jetzt nicht unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten bewerten. Das kann ich auch nicht. Wir könnten ja mal Lene fragen.

Konsequenzen aus der Anerkennung

Trotzdem ergeben sich daraus Konsequenzen, wenn auch nur aus russischer Sichtweise. Für Russland sind das nun selbstständige Staaten, die sich auch frei entscheiden können, ob sie mit der Ukraine oder mit Russland den Schulterschluss suchen. Natürlich ist davon auszugehen, dass denen aufgrund der ethnischen Nähe Russland näher liegt. Damit geraten diese beiden Provinzen in den russischen Einflussbereich. Das kann natürlich nicht im Interesse der Ukraine sein. Wehret den Anfängen.

Die Annektion der Krim 2014

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine schwelt schon lange. Auf Details will ich aber auch hier nicht eingehen. Letztendlich hat sich Russland die Krim 2014 unter Nagel gerissen. In meinen Augen war das völkerrechtswidrig. Gleichzeitig wurden russische Separatisten im Osten der Ukraine aktiv.
Und wie hat die internationale Gemeinschaft reagiert. Man schimpfte, man drohte. Wirtschaftssanktionen wurden verhängt. Aber eher unter Motto: „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Die ukrainische Regierung hat sich schnell dem Schicksal ergeben. Das mag auch daran gelegen haben, dass dort nur vier Monate später ein neuer Präsident gewählt wurde und man sich im Wahlkampf befand. Und der dann gewählte Präsident, Petro Poroschenko, galt eher als russlandfreundlich. Wie dem auch sei, seit diesem Zeitpunkt besteht der Status Quo. Wirkliche Auswirkungen auf Russland hat das ganze nicht gehabt.

Das Problem mit der Amtssprache

Die in der Karte markierten Provinzen hatten schon immer eine besondere Nähe zu Russland. Das hat auch Gründe in der historischen Entwicklung. Daher ist bei einem Großteil der Bevölkerung dort die Muttersprache russisch (oder muss ich jetzt Heimatsprache…). Der derzeitige Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, war aber nach seinem Amtsantritt im Mai 2019 bestrebt, sich deutlich von Russland zu distanzieren. Eine seiner ersten Maßnahmen war, die russische Sprache als Amtssprache abzuschaffen. Das sollte sogar Eingang in die Schulbücher finden. Dass somit ein erhebliches Konfliktpotential geschaffen wurde, dürfte jedem klar sein. Betraf es doch etwa ein Drittel der Bevölkerung.

Und jetzt?

Zeitgleich mit der Krimannektion haben sich in den Provinzen Donetsk und Luhansk russische Separatisten breit gemacht. Ich habe das weiter oben schon erwähnt. Es spielt dabei überhaupt keine Rolle, ob die von Russland unterstützt werden oder nicht. Fest steht, dass sie nicht gewillt sind, der ukrainischen Regierung zu folgen. Auch entsprechende Friedensverhandlungen, bekannt unter den Minsker Abkommen, blieben weitestgehend ohne Erfolg. Es ist aber schwer einen Schuldigen auszumachen, denn beide Seiten verletzen das Abkommen regelmäßig.

Der Aspekt der NATO Osterweiterung

Nach dem Fall der Mauer wurde in den Verhandlungen zum neuen Status Deutschlands versprochen, dass sich die NATO nicht weiter nach Osten ausdehnt. In den entsprechenden Verträgen, bekannt unter der Bezeichnung Zwei-plus-Vier-Vertrag, ist das aber nicht aufgenommen worden. Daher wird diese Forderung Russlands auch gerne in Zweifel gezogen. Leider (für den Westen) ist jetzt wohl ein Protokoll aufgetaucht, in dem festgehalten ist, dass eine Ausdehnung der NATO über die Elbe hinaus nicht beabsichtigt ist. Das Ergebnis ist aber ein anderes. Mittlerweile gehören Ungarn, Rumänien, Tschechien, Slowakei, Polen und die baltischen Staaten zur NATO. Ich weiß ja, dass die Amerikaner in Geografie nicht so bewandert sind, aber wo die die Elbe vermuten… Dass der Russe sich hier in seinen Sicherheitsinteressen bedroht fühlt, dürfte doch wohl jedem klar sein. Und man darf sich auch fragen, wer jetzt der eigentliche Aggressor ist.

Die Situation der Ukraine unter Selenskyj

Seit 2019 sucht die Ukraine die Annäherung an den Westen. Sicherlich ist NATO noch kein Thema. Aber eine Mitgliedschaft in der EU ist durchaus denkbar. Und wie schnell man dann auch in die Nähe der NATO rutscht, ist auch kein Geheimnis. Dass damit russische Interessen massiv bedroht sein dürften, sollte jedem halbwegs gebildeten Menschen klar sein. Bei unseren Regierungspolitikern vermisse ich diese Einsicht allerding total. Die wollen ja die Welt retten.

Wie geht es weiter

Die militärische Dimension

Wird der Russe militärisch vorgehen? Ehrlich gesagt ich weiß es nicht. Wollen wir uns doch eines mal klar machen. Militärische Abschreckung besteht aus zwei Bestandteilen. Erstens muss man die Fähigkeit zum Einsatz von Streitkräften haben. Und zweitens muss man auch den Willen haben, Streitkräfte einzusetzen. Ob westliche Nationen diese Fähigkeit besitzen, darüber kann man nur spekulieren. Nicht nur Deutschland hat seine Streitkräfte kaputtgespart. Aber was absolut klar ist, der Westen hat nicht den Willen, Streitkräfte einzusetzen. Das hat er ja schon bei der Annektion der Krim gezeigt. Auch wenn einige Nationen jetzt Kräfte verlegen, Deutschland ist logischerweise nicht dabei, sind das wohl nur symbolische Akte. Das wird auch Putin wissen. Also militärisch hat er kaum etwas zu befürchten. Mal abgesehen von einem Partisanenkrieg in der Region, wie wir in aus dem Kosovo-Konflikt kennen. Das kann eigentlich für keine Seite wünschenswert sein.

Und politisch?

Natürlich läuft die Diplomatie auf Hochtouren. In Deutschland ist es schon ein Erfolg, wenn Putin mit unseren Politidioten spricht. Den Erfolg kann man aber an seiner letzten Reaktion ablesen.
Der Amerikaner schürt weiterhin Kriegsängste. Auch die NATO mit ihrem Generalsekretär Jens Stotenberg spielt kräftig mit. Wirtschaftssanktionen stehen im Raum. Nordstream zwei steht jetzt endgültig auf der Kippe. Für Russland eher kein Problem. Die können ihr Gas auch nach China verkaufen. Vorteilhaft wäre das nur für die Amerikaner. Die könnten jetzt Frackinggas aus USA in Europa verkaufen. Diese verhältnismäßig teure und umweltschädliche Förderungsart könnte sich dann plötzlich als wirtschaftlich erweisen. Genau so funktioniert Umweltschutz.

Fazit

Wie das weitergeht, weiß keiner. Interessant ist, dass Typen wie Röttgen aber so tun, als wüssten sie es. Eines steht allerdings fest. Weder Russland noch die USA werden als Verlierer vom Platz gehen. Die Verlierer werden wir in Europa, insbesondere in der EU suchen müssen. Diese hat wieder einmal gezeigt, dass es mit gemeinsamen Positionen in solchen Krisen nicht so weit her ist. Die EU hat wieder einmal gezeigt, dass sie, wenn es dann mal richtig zur Sache geht, den Schwanz einzieht. Da hilft auch eine GASP nicht weiter. Und genau das liegt doch eigentlich im Interesse der Großen.

Und China steht am Rande und freut sich. Denkt darüber nach, wie man aus diesem Dilemma Gewinn schlagen kann. Wie wäre es beispielsweise mit dem Aufbau von Industrie in der EU mit Chinesischen Unternehmern? Im Rahmen der Batterieherstellung ist da ja schon einiges im Gange. Vielleicht auch noch mehr.

Kommentar verfassen