Die Auferstehung der Bundeswehr (2)

„Die beste Strategie ist: immer recht stark sein,…. Daher gibt es… kein höheres und einfacheres Gesetz für die Strategie als das: seine Kräfte zusammenhalten.“
Carl von Clausewitz (preußischer General und Militärwissenschaftler)

Vor wenigen Tagen habe ich beschrieben, warum die Bundeswehr in so einem desolaten Zustand ist. Jetzt möchte ich Betrachtungen anstellen, was in Zukunft passieren muss, damit die Bundeswehr wieder das leisten kann, wofür sie eigentlich da ist. Dafür wird ein Sondervermögen geschaffen (ein anderse Wort für Schulden) von 100 Mrd Euro. Aber reicht das überhaupt?

Wie müssen Streitkräfte aussehen?

Ich möchte hier ein kleines Beispiel aufgreifen, welches ich bei Clausewitz gefunden habe. Zu dessen Zeiten gab es in den Streitkräften drei Truppengattungen, Artillerie, Reiterei und Fußtruppen. Artillerie hat hohe Feuerkraft, ist aber sehr unbeweglich. Sie kann zwar Raum halten, kann ihn aber nicht nehmen. Die Reiterei ist hoch beweglich, hat aber kaum Feuerkraft. Sie kann zwar schnell Raum nehmen, kann ihn aber nicht halten. Und die Fusstruppen können beides, aber beides nicht so gut. Sie sind ein Kompromiss. Was brauchen wir also für gut funktionierende Streitkräfte? Dazu sagt Clausewitz, Fußtruppen braucht jede Armee. Reiterei und Artillerie sind teuer, werden aber trotzdem gebraucht. Wieviel davon entscheidet der Haushalt. Auch Clausewitz hat also schon erkannt, dass Streitkräfte Geld kosten und das ist leider nicht unbegrenzt verfügbar.

Wie sollte das jetzt ablaufen?

Die Regierung muss sich jetzt äußern, was ihre Streitkräfte leisten sollen. Das könnte heißen, Befähigung zur Landes- und Bündnisverteidigung in einem Raum von…
Dieser Ansatz geht jetzt zu Fachleuten, die daraus eine Planung machen. Das Ergebnis wird dem Minister vorgelegt. Der wird fragen, wie teuer das Ganze ist. Der Experte nennt den Preis, der Minister sagt, das ist zu teuer.
Normalerweise müsste der Experte jetzt fragen, auf welche Fähigkeit man denn verzichten könne. Aber genau diese Frage kommt nicht. Sondern man plant neu, allerdings mit geringeren Mitteln. Das Ergebnis kennen wir. Es kommt zu faulen Kompromissen.

Wie stelle ich mir die zukünftige Struktur der Streitkräfte vor?

Bis 1989 war der Raum für die Landesverteidigung an der innerdeutschen Grenze. Da sich die Ostgrenze der NATO nach Polen, Slowakei und Ungarn verlagert hat, wird die Verteidigung wohl nicht mehr auf deutschem Boden stattfinden. Also müssen die benötigten Kräfte mit den anderen NATO-Partnern abgesprochen werden. Ich denke, das wird auf drei Divisionen hinauslaufen. Die haben wir sogar schon.

Die Division und die Brigaden

Eine Division besteht aus drei Brigaden. Davon ist eine gekadert, das heißt, es ist nur das Material vorhanden. Das Personal wird von Reservisten gestellt. Betrachten wir einmal die Brigade etwas genauer. Eine solche Brigade besteht derzeit aus 6 Bataillonen. Je nach Brigadetyp 1 oder 2 Panzergrenadierbataillone und 1 oder 2 Panzerbataillone. Das ist abhängig vom Brigadetyp. Dazu kommen noch ein Versorgungsbataillon, ein Panzerpionierbataillon und ein Aufklärungsbataillon. Diese Struktur will ich gar nicht hinterfragen. Die halte ich für zweckmäßig.

Das Materialproblem

Ich bin überzeugt, dass die Gefechtsfahrzeuge der Bundeswehr gar nicht schlecht sind. Der Leopard 2 gehört nach wie vor zu den besten Panzern der Welt. Der Marder bei den Grenadieren soll jetzt abgelöst werden durch den Schützenpanzer Puma. Dann verfügen auch die Grenadiere wieder über ein ausgezeichnetes Gefechtsfahrzeug. Dazu kommt für andere Zwecke noch der GTK Boxer in unterschiedlichen Versionen.

Die neuen Fahrzeuge sind also meines Erachtens durchaus auf dem Stand der Technik. Allerdings geht die Ausstattung der Truppe mit diesem Gerät äußerst schleppend voran. Und das Altgerät wird daher nach wie vor genutzt. Ist aufgrund des Alters natürlich anfällig. Man kann davon ausgehen, dass der Truppe etwa ein Drittel der benötigten Gefechtsfahrzeuge fehlen. Das bedeutet, dass von den drei Divisionen eine nicht einsatzbereit ist. Dazu kommt dann noch, dass von den verbleibenden Fahrzeugen auch noch ein Teil nicht fahrbereit ist, auf die Instandsetzung wartet.
Das ist für Streitkräfte, die möglicherweise schnell verteidigungsbereit sein sollen, nicht hinnehmbar.

Gehen wir mal von den 6 Brigaden in den drei Divisionen aus. Die gekaderten Verbände lassen wir außer acht. Und gehen wir davon aus, dass die jeweils 3 Kampftruppenbataillone etwa 40 Dickblechautos haben. Dann ergibt sich ein Gesamtbedarf von 720 dieser Fahrzeuge. Selbst wenn schon die Hälfte ausgeliefert ist, fehlen noch 360 Fahrzeuge.
Den Leo bekommt man schon für 5 Mio Euro, der Puma kostet 17 Mio. Das liegt an der geringen Auflage. Dann wären alleine für das Heer schon drei Mrd Euro weg.

Bei Marine und Luftwaffe sieht das dann noch ganz anders aus. Eine Fregatte kostet mal eben 500 Mio Euro. Der Ersatz für den Tornado könnte sogar noch teurer sein.

Zusammenfassung

Das Material ist von seine Konzeption bestimmt nicht schlecht. Allerdings ist zu wenig davon da. Wenn das Heer eine Brigade für die NATO zu Verfügung stellt, dann müssen bei bestimmten Artikeln die kompletten Heeresbestände zusammengeklaubt werden. Bei Nachtsichtgeräten ist das der Fall.
Die Beschaffung dieser Fahrzeuge muss also erheblich beschleunigt werden.

Das Personal

Die Bundeswehr hat derzeit etwa 180.000 Dienstposten für Soldaten. Davon sind schon seit Jahren etwa 20.000 nicht besetzt. Es fehlt der Nachwuchs. Selbst wenn die Stellen aufgestockt werden, gibt es ja nicht automatisch mehr Bewerber. Darüber hinaus findet man immer weniger Reservisten, so dass auch in den gekaderten Verbänden erheblich Personal fehlt. Zu Zeiten der Wehrpflicht war das eher kein Problem. Da die nach Ableistung ihres Wehrdienstes in der Regel einem solchen gekaderten Verband zugeteilt wurden. Das gibt es heute eher nicht mehr. Der Soldatenberuf ist zum Job verkommen. Zeitsoldaten reißen ihre Zeit ab, dann ist aber Schluss. Als Reservist lassen sich nur wenige gewinnen.

Attraktivität

Seit Aussetzung der Wehrpflicht hat man unterschiedlichste Attraktivitätsprogramme aufgestellt. Allerdings gab es schon immer ein Problem. Wenn sie zur Polizei gehen, dann machen sie eine dreijährige Ausbildung. Unter Umständen auch vier Jahre. Und wenn sie dann alle Prüfungen bestanden haben, werden sie in das Beamtenverhältnis übernommen. Dann ist das ihr Beruf.
Bei der Bundeswehr fangen sie als Zeitsoldat an. Und selbst wenn sie alle Prüfungen bestehen, ist nicht sicher, dass sie Berufssoldat werden. Das überlegen sich dann doch einige.

Ein zweites Problem sind eben die Materialengpässe. Da kommt ein junger Soldat zur Panzertruppe. Der will natürlich Panzer fahren. Deshalb ist der doch dahin gegangen. Und dann kommt er in ein Bataillon, da teilen sich drei Teams einen Panzer. So etwas spricht sich natürlich rum. Bei Piloten sieht das teilweise noch extremer aus.
Da können sie dann an Attraktivitätsprogrammen auflegen was sie wollen, es wird nichts bringen.

Seit v. d. Leyen spielt Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine übergeordnete Rolle. Da wurden Mutter-Kind Büros ausgeworfen, da enstanden überdachte Fahrradständer an den Gebäuden usw. Das ist ja alles schön und gut. Die Einsatzbereitschaft der Truppe ist dadurch aber nicht besser geworden. Und mehr Personal haben wir dadurch auch nicht gewonnen.

Frauen in der Bundeswehr

Ich will jetzt überhaupt nicht bewerten, ob Frauen für den Job geeignet sind oder nicht. Ich habe in meiner aktiven Dienstzeit alles erlebt. Von Topkräften bis zum letzten Schlumpf. Da spielte das Geschlecht überhaupt keine Rolle. Aber wenn es um Einsatzbereitschaft geht muss man einen Aspekt doch betrachten. Nach wie vor ist es so, dass die Frauen schwanger werden. Zumindestens ist mir das bei Männern nicht bekannt. Diese Frauen fallen dann inklusive Erziehungsurlaub gut ein Jahr aus. Ich will diese Regelung überhaupt nicht in Frage stellen. Aber für die Truppe bedeutet dies, dass der Dienstposten für ein Jahr nicht besetzt ist. In meiner aktiven Dienstzeit habe ich das gerade bei Ärzten häufiger erlebt. Und bei denen bestand sowieso schon ein Mangel.

Sollte die Truppe jetzt schnell ausrücken müssen, dann fehlt unter Umständen Schlüsselpersonal. Da muss man sich dann auf jeden Fall was einfallen lassen. Vielleicht Bildung einer Personalreserve, das kostet aber Geld.

Die Strukturen

Früher kannte man Heer, Marine und Luftwaffe. Daneben gab es dann noch das Territorialheer. Heute gibt es darüber hinaus noch die Streitkräftebasis mit dem Kommando territoriale Aufgaben, und den Sandienst. Dazu kommt dann noch das Einsatzführungskommando und diverse internationale Kommandos. Das ist einfach zu viel. Wie heißt es so schön, ein Haufen Häuptlinge, aber keine Indianer. Hier muss unbedingt etwas geschehen. Mir ist bis heute nicht klar, warum die Sanität einen eigen Organisationsbereich erhalten hat.

Was auch ein Manko ist, es gibt kein Kommando oberhalb der Teilstreitkräfte. Der Generalinspekteur hat keine Weisungsbefugnis. Warum baut man kein Streitkräftekommando und packt da Einsatzführungskommando mit rein?

Ganz extrem wird es dann im Bereich Weiterentwicklung. Dazu gibt es an den Schulen der Bundeswehr entsprechende Abteilungen. Allerdings haben auch die Teilstreitkräfte noch Ämter. Und ein Planungsamt gibt es auch noch.
Viele Köche verderben den Brei. Hier wäre weniger manchmal mehr.

Das Ministerium

Im Ministerium sitzen über 1.000 Mitarbeiter. Dass die letzen Minister (alle weiblich) von der Materie keine Ahnung hatten ist nicht neu. Aber dass sie nicht auf ihre Mitarbeiter zurückgreifen, ist eigentlich unglaublich. Lieber holt man sich Beraterfirmen von außerhalb. Wenn da dann noch ehemalige Studienkollegen dabei sind ist das auch nicht schlimm. Da könnt man Unsummen einsparen.

Europaweite Ausschreibung

Auch für den Bereich Rüstung gilt die europaweite Ausschreibung. Da wird dann so getrickst, dass man sich die Aufträge genseitig zuschustert. Das wäre nicht einmal schlimm, wenn die Ergebnisse stimmten. Es kostet aber unnötig Zeit. Und ganz spannend wird es, wenn das beauftragte Unternehmen unterwegs pleite geht. Das habe ich mehrfach erlebt. Dann fängt das ganze Prozedere von vorne an.
Bei größeren Projekten kann es passieren, dass vom ersten Strich am Reißbrett bis zur Auslieferung des Produktes 15 Jahre vergehen. Das ist einfach zu lang.

Reicht das Geld?

100 Mrd, das ist schon ein Batzen. Wenn das Geld dann auch kommt. Damit kann man schon eine Menge bewegen, wenn man es an die richtigen Stellen bringt. Trotzdem muss dann auch die Anschlussfinanzierung laufen.
Und bei allem Geld, die Industrie kann nicht so mir nichts, dir nichts ihre Kapazitäten hochfahren. Auch das braucht Zeit.

Zusammenfassung

Das Gerät für die Bundeswehr ist nicht schlecht. Es ist nur zu wenig da.

Die Bundeswehr hat einen Wasserkopf. Es gibt zuviele Häuptlinge und zu wenig Indianer. Besonders auffällig ist das im Bereich Rüstung.

Personalgewinnung ist ein Problem. Auch bei der Bundeswehr ist der demographische Wandel spürbar. Ob das durch Wiedereinführung der Wehrpflicht aufgefangen werden kann, ist fraglich.
Attraktivitätsprogramme müssen sich am Soldaten ausrichten. Der Großteil der jungen Soldaten ist noch nicht verheiratet und braucht kein Kinderzimmer.

Wenn unsere Minister ihr eigenes Personal nicht nutzen, dann kann man es auch entlassen. Ansonsten braucht man keine Beraterfirmen. Denn unter 1.000 Angestellten ist bestimmt einer, der das Richtige studiert hat, und der von der Sache etwas versteht. Aber vielleicht ist das ja gar nicht gewünscht.

30 Jahre hat man an der Bundeswehr herumgedoktert. Wollte viel haben, aber nichts bezahlen. Jetzt stellt man fest, dass man zurück muss in das Jahr 1989. Das kostet Kraft und Zeit. Und im Ministerium erhebliche Fachkompetenz. Leider sind die kalten Krieger mittlerweile alle entlassen. Die könnte man gut gebrauchen. Und wir brauchen einen Minister, der sich darauf einläßt. Die Verteidigungsoma sehe ich da eher nicht.

Nach den Erkenntnissen aus der Ukraine-Krise müssen jetzt viele Dinge schnell gehen. Trotzdem werden noch Jahre vergehen, bis diese Bundeswehr wieder voll einsatzbereit ist.

2 Kommentare

  1. Eine umfassende und einleuchtende Analyse:
    Mir ist nur nicht klar, wohin das viele Geld gegangen ist:
    Der letzte Wehretat war 45 Milliarden (bei 180.000 Mann).
    Die Russen hatten 65 Milliarden (bei 1 Mio Soldaten)

  2. Ich weiß es leider auch nicht. Unter der Ägide von von der Leyen ist viel Unsinniges gemacht worden im Zusammenhang mit dem Thema Familie und Beruf. Da wurden beispielsweise Mutter-Kind-Büros geschaffen. Da entstanden auf einmal überdachte Fahrradständer usw.
    Außerdem wurden Unsummen für irgendwelche Beratungsunternehmen ausgegeben. Das gab es zwar schon vorher. Von der Leyen hat das dann aber zu einem neuen Höhepunkt gebracht.
    Und wenn man dann noch die Beschaffung betrachtet. Kaum ist ein neues Gerät auf dem Hof, da kommen schon die Nachforderungen. Die lassen sich die Unternehmen gut bezahlen.
    Oder es kommt Gerät, welches dann für den gedachten Zweck nicht geeignet ist, weil man bei der Ausschreibung etwas vergessen hat. Beispiel NH90 als Nachfolgemodell für die SeaKing (Marineflieger).
    Es gibt viele Gründe.

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