Kommt die Inflation wirklich so überraschend?

Teil 5 – aktuelle Aspekte 1

„Wir haben ein Geschäftsmodell aufgebaut, indem wir die Verteidigung outgesourct haben an die Amerikaner, die Energie outgesourct haben an die Russen, das Währungsmanagement outgesourct haben an die EZB und die Nachfrage outgesourct haben an die Chinesen. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir auch die Finanzierung outgesourct haben an die Amerikaner und die Angelsachsen… Dieses deutsche Geschäftsmodell, stößt nun eben an seine Grenzen.“
Paul Achleitner (ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen Bank)

Nachdem ich ihnen in den vorangegangenen Beiträgen einige Grundlagen zum Thema Inflation näher gebracht habe, möchte ich ihnen nun einige aktuelle Aspekte vorstellen.

Die Geldwirtschaft

In den letzten Jahren hatten wir einen extrem niedrigen Zinssatz. Damit sollte erreicht werden, dass Unternehmen mit billigem Geld investieren. So sollte die Produktivität hochgehalten werden. Was man allerdings dabei nicht vergessen darf, ist, dass das Geld trotzdem irgendwann zurückgezahlt werden muss.

Gleichzeitig gerieten immer mehr Staaten der EU in eine finanzielle Schieflage. Begonnen hat das schon während der Finanzkrise 2008. Und wie hat man dagegengesteuert? Die EZB hat die finanzschwachen Staaten unterstützt, indem sie deren Staatsanleihen im großen Stil aufgekauft hat. Letztendlich ist das eine Schuldenumschreibung von den Nationalstaaten auf die EU.

Und dann kam die Corona-Pandemie. Die Lockdowns, die man ja in ganz Europa als den Gamechanger betrachtete, erweisen sich heute als völlig wirkungslos. Teuer sind sie trotzdem. Ich weiß nicht, wieviele Milliarden da rausgefeuert worden sind. Allein in Deutschland waren es mehrere Hundert. Und natürlich alles Schuldenfinanziert. Das heißt, man hat Geld auf den Markt geschmissen, ohne dass dafür eine Leistung erbracht worden wäre. Den gleichen Fehler macht man jetzt schon wieder mit der Energiekrise.

Die Folgen für die Preise

Geld ist also nach wie vor vorhanden. Allerdings wurden während des Lockdowns weniger Waren produziert. Und das gleiche passiert jetzt wieder, allerdings liegt es jetzt an den Produktionskosten. Jetzt erinnern wir uns daran, dass Geld eigentlich ein universelles Tauschmittel ist. Für Geld gilt letztendlich auch das Prinzip von Angebot und Nachfrage.

Wenn also Geld genug da ist, Kurzarbeitergeld, Subventionen usw., aber die Waren knapp werden, dann steigen logischerweise die Preise. Somit ist ein wesentlicher Grund für die derzeitige Inflation die viel zu lockere Geldpolitik der EZB.

Rohstoffe

Das gleiche gilt natürlich für Rohstoffe. Da die EU nur über geringe Rohstoffreserven verfügt, ist sie natürlich abhängig von Importen aus dem Ausland. Und auch hier gilt das Prinzip Angebot und Nachfrage. Die Rohstoffexporteure haben natürlich ein Interesse daran, dass die Preise nicht zu hoch werden. Denn es hilft ihnen nicht, wenn durch zu hohe Preise die Weltwirtschaft abgewürgt wird. Denn dann können sie ja auch nichts mehr kaufen. Ein typisches Beispiel ist hier die OPEC, die über eine Fördermengenregulierung immer versucht, die Preise in einer gewissen Balance zu halten. Das hat bisher auch immer ganz gut funktioniert.

Und jetzt ist etwas passiert. Russland ist in die Ukraine eingefallen. Und natürlich will der Westen dagegen vorgehen. Also hat man Wirtschaftssanktionen verhängt. Das führt dazu, dass man Rohstoffe künstlich verknappt. Es geht hier nicht nur um Gas, Öl oder Kohle, nein es geht auch um Edelmetalle, seltene Erden und ähnliches. Und bitte, daran ist nicht der Russe Schuld. Die EU hat selbst beschlossen, diese Sanktionen zu verhängen.

Solange nur einzelne Rohstoffe knapp sind ist das kein Problem. Wenn aber Rohstoffe, die eigentlich überall gebraucht werden, knapp werden, dann hat das erhebliche Auswirkungen.

Betrachten wir mal beispielsweise Gas

Gas wird natürlich zum Heizen verwendet. Das ist aber noch nicht einmal das ganz große Problem. Auch in der chemischen Industrie braucht man Gas. Herstellung von Düngemitteln ist so ein Beispiel. Also wird Dünger teuer. Das wirkt sich dann aber auch auf die Nahrungsmittelpreise aus. Erstens werden die Produktionskosten höher und zweitens dürfte ohne Dünger auch die Ernte geringer ausfallen. Damit werden Agrarprodukte noch einmal teurer.

Übrigens, bei der Düngemittelherstellung wird CO2 frei. Daraus macht man dann Kohlensäure für beispielsweise die Brauereien. Das wird jetzt also auch teurer. Merken sie was?

Nun will die Regierung dagegensteuern. Man schnürt also diese Hilfepakete. Was macht man aber? Man schmeißt wieder einmal Geld unter die Leute. Problem ist aber, dass dadurch nicht ein Kubikmeter Gas auf den Markt kommt. Es ist jetzt also noch mehr Geld verfügbar, aber das Gas ist immer noch knapp. Das bedeutet, mit diesen Hilfen feuert man die Inflation noch einmal zusätzlich an.

Wie könnte man Gegensteuern?

Eigentlich ist das ganz einfach. Man muss dafür Sorge tragen, dass das Gasangebot wieder größer wird. Sie werden jetzt fragen, wie soll das denn gehen. Nun ja, Deutschland sitzt auf den größten Gasvorkommen in der EU. Experten schätzen, dass die Gasvorkommen ausreichen würden, Deutschland für die nächsten 20 Jahre mit Gas zu versorgen. Aber genau das will unsere politische Führung nicht tun. Fracking Gas aus USA ist gut, Gas aus Deutschland ist Bäh. Somit wird die Inflation infolge des Gasmangels billigend in Kauf genommen.

Man macht das Gegenteil

Wir wissen, dass Gas auch zur Verstromung eingesetzt wird. Und derzeit liegt der Gasverbrauch zur Verstromung so hoch wie nie zuvor. Trotzdem will man die Atomkraftwerke abschalten. Das führt zu einer weiteren Verknappung des Stromangebotes. Und sie erinnern sich, Angebot und Nachfrage regulieren den Preis. Wenn ich also die Energie weiter verknappe, gleichzeitig den Menschen aber Geld hinterherschmeiße, dann darf ich mich nicht wundern, wenn die Preise in das Uferlose steigen.

Kommt die Inflation also wirklich überraschend?

Eigentlich nicht. Und dafür gibt es zwei Gründe. Die EZB fährt schon seit Jahren eine extrem lockere Geldpolitik. Und ich bin eigentlich überrascht, dass es solange gedauert hat, bis uns das auf die Füße fällt.

Der zweite Aspekt ist eine völlig irre Energiepolitik. Wir wollten weg von Atom, Kohle und Öl. Als Ersatz war Gas vorgesehen.
Wenn sie mit Aktien handeln wollen, dann sagt ihnen jeder seriöse Bänker, sie sollen nicht auf nur ein Pferd setzen. Sie sollen ihr Vermögen streuen. Das gleiche gilt letztlich auch für Energie. Und hier hat Deutschland den Fehler gemacht, nur auf Gas zu setzen. Tja, und jetzt fällt der wichtigste Gaslieferant aus. Nicht weil der das will, nein wir wollen das.

Und die Windmühlen und Photovoltaikanlagen. Die machen doch die ganze Sache noch teurer. Immer dann, wenn kein Wind da ist oder keine Sonne scheint, müssen Gaskraftwerke in die Bresche springen. Und damit das unverzüglich klappt, laufen diese Kraftwerke im Leerlauf mit. Das heißt, wir bezahlen für Strom, der nicht produziert wird. Und je mehr Alternative auf den Markt kommen, um so mehr konventionelle Kraftwerke müssen im Leerlauf mitlaufen.

Fazit

Ich habe für die derzeitige Inflation zwei Hauptursachen ausgemacht. Das ist zum einen die lockere Geldpolitik der EZB. Durch diese Politik dürften auch Unternehmen am Leben gehalten worden sein, die unter Normalbedingungen längst vom Markt verschwunden wären.
Zum Zweiten spielt die irrsinnige Energiepolitik der EU eine ganz gewichtige Rolle. Sie macht Energie teuer und schafft gewaltige Abhängigkeiten. Dank der Grünen ist Deutschland jetzt noch stärker betroffen als alle anderen. Aber die anderen EU-Staaten können beruhigt sein. Wenn Deutschland den Bach runter geht, gehen die anderen mit. Ist so eine besondere Form der erzwungenen Solidarität.
Und jetzt haben insbesondere die Unternehmen Probleme, die man schon vorher künstlich am Leben gehalten hat. Die werden es dieses Mal nicht schaffen.

War es vorhersehbar?

Eigentlich schon. Denn die Signale sind schon lange erkennbar. Die Ukrainekrise hat uns das Dilemma nur beschleunigt aufgezeigt. Sie ist für unsere Situation nicht die Ursache, sie ist letztlich nur ein Beschleuniger und Verstärker.

Vorschau

Im letzten Teil will ich ihnen dann noch einen weiteren Aspekt näher bringen. Da geht es dann um Abhängikeiten von Produktionsketten. Sie erinnern sich, Personalintensive Tätigkeiten auslagern. Denn da gibt es auch noch einige Aspekte, die jetzt Wirkung zeigen.

Der Link

Zu diesem Thema ist ein sehr guter Artikel bei Tichy erschienen. Er ist zwar vom 30. Juni, das macht ihn aber nicht weniger aktuell. Ich halte diesen Beitrag für überaus lesenswert. Lesezeit beträgt etwa 4 Minuten.
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/ezb-chefin-lagarde-erklaert-ihren-intellektuellen-bankrott-oder-taeuscht-sie-uns-einfach/

Teil 1 – Grundlagen 1,
Teil 2 – Grundlagen 2
Teil 3 – Inflationstreiber
Teil 4 – die Inflationsbremser

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