„Sie machen aus Deutschland eine Kriegspartei. Das ist der falsche Weg.“
Gregor Gysi
Der Krieg in der Ukraine tobt. Und Deutschland diskutiert, wie man die Ukraine unterstützen kann. Man will nicht in den Krieg hineingezogen werden. Man will mit aller Gewalt vermeiden, Kriegspartei zu werden.
Rechtliche Grundlagen
Für eine rechtliche Bewertung benötigt man die Haager Landkriegsordnung und das Kriegsvölkerrecht. Dort ist geregelt, was Krieg ist und wer Kriegspartei ist. Es geht da unter anderem auch noch um den besonderen Status der Soldaten als Kombattanden und vieles mehr. Ich will ihnen das nicht im Detail vorbeten. Auch Juristen will ich aus ihnen nicht machen. Ich will ihnen nur kurz aufzeigen, um was es hier eigentlich geht.
Der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages
Wenn es um solche kritische Fragen geht, beauftragt man den wissenschaftlichen Dienst. Es ging um die Frage, ob man schon Kriegspartei ist, wenn man einer Seite Waffen liefert. Das hat das entsprechende Gremium verneint.
Formaljuristisch halte ich diese Aussage des Dienstes sogar für richtig. Kriegspartei ist man nur dann, wenn man aktiv an den Kriegshandlungen beteiligt ist. Man müsste in diesem Fall sogar den Krieg erklären. Aber das hat in diesem Konflikt bisher nicht stattgefunden. Das können wir also vernachlässigen. Also, Kriegspartei sind wir nicht. Wie sieht das aber aus, wenn wir die ukrainischen Soldaten dann auch noch an diesen Waffensystemen ausbilden? Dem Grunde nach ändert sich auch dann nichts. Wir nehmen immer noch nicht aktiv an Krigshandlungen teil.
Also, rein juristisch sind wir nach wie vor keine Kriegspartei. Hoffen wir mal, dass es so bleibt.
Wie sieht das aber Russland
Nun Russland hat Interessen in der Ukraine. Putin sieht die Ukraine nicht einmal als einen souveränen Staat an. Also startet er eine Militäraktion zur Durchsetzung seiner Interessen.
Sie erinnern sich, es begann seinerzeit auf der Krim und im Donbass. Daraufhin verhängten viele Staaten Sanktionen. Auch Deutschland beteiligte sich daran. Allein jetzt schon sind wir aus russischer Sicht nicht mehr neutral. Wir nehmen eindeutig Partei. Und seit dem Start der Militäroffensive im April werden die Sanktionen regelmäßig verschärft. Ich weiß nicht wie sie das sehen. Aber wenn ich Putin wäre, dann würde ich das sehr wohl als eine Kriegsbeteiligung sehen.
Die Konsequenz
Also stellt sich doch nur die folgende Frage: macht es überhaupt einen Unterschied, ob wir formaljuristisch Kriegspartei sind oder nicht?
Ich bin der Meinung, es macht keinen Unterschied. Denn letztendlich entscheidet der Aggressor darüber. Und ich bin überzeugt, dass Putin sehr wohl weiß, wer ihn zur Zeit piesackt. Für Russland sind alle Kriegspartei, die sich gegen ihn stellen. Ob er die nachher wirklich mit militärischen Mitteln angreift, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt.
Der Glaube, dass Russland uns verschonen würde, wenn wir die Ukraine nicht unterstützen, ist in meinen Augen ein Irrglaube. In soweit halte ich unsere Friedensapostel für Träumer. Geschützt sind wir derzeit nur in Folge der militärischen Schwäche Russlands. Die Russischen Streitkräfte haben ja derzeit schon Probleme, nur begrenzte Ziele in der Ukraine zu erreichen. Da kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sich mit der NATO anlegen wird.
Zur Gefahr eines Atomkrieges
In dieser Frage sieht man derzeit unzählige Menschen, die in die Glaskugel schauen. Ich bin allerdings nicht in der Lage, vorauszusehen, was da noch passieren wird. Es gibt da aber zwei Dinge, über die man mal nachdenken könnte.
Erstens, warum hat er bisher noch keine Atomwaffen eingesetzt. Obwohl er Kiew nicht wie geplant einnehmen konnte, hat er von Atomwaffen, in diesem fall geht es um taktische Atomwaffen, keinen Gebrauch gemacht. Und auch im Donbas, wo derzeit sein Angriffsschwerpunkt liegt, sind Atomwaffen nicht zum Einsatz gekommen. Und wir wissen, dass er da zur Zeit mit unerbittlicher Härte zulangt. Der Erfolg bleibt überschaubar. Und trotzdem immer noch kein Einsatz von Atomwaffen. Wahrscheinlich ist Putin dieses Eisen dann doch zu heiß. Hoffen wir es einmal. Aber in dieser Frage bin ich ausnahmsweise mal optimistisch.
Zweitens, wenn er zu strategischen Atomwaffen greift, hat das natürlich auch Bedeutung für Russland. Es geht hier um Atomwaffen, die Putin sogar in den USA zum Einsatz bringen kann. Das hätte dann aber eine entsprechende Reaktion zu Folge. Natürlich sieht es dann für die Europäer düster aus. Aber eben nicht nur für die Europäer. Auch Russland selbst und die USA hätten dann den Untergang zu befürchten. Die Abschreckung auf diesem Niveau hat in den letzten 70 Jahren immer funktioniert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Putin das jetzt riskiert.
Übrigens, im Jahr 1962 während der Kubakrise waren wir einem Atomkrieg deutlich näher als heute.
Fazit
Sind wir Kriegspartei?
Auch wenn wir es formaljuristisch nicht sind, haben wir doch eindeutig Partei ergriffen. Daher dürfte Deutschland für die Russen eindeutig Kriegspartei sein. Wer Lawrow genau zugehört hat, der dürfte davon nicht überrascht sein.
Und droht nun ein Atomkrieg?
Ganz ausschließen kann man das natürlich nie. Aber bei aller Irrationalität Putins halte ich die Gefahr momentan noch für gering. Als ich 1979 zur Bundeswehr ging, hatte ich deutlich mehr Angst.
Als ich 1965 meine Dienstzeit bei den Panzergrenadieren absolvierte, hatte ich keine Angst. Ich war einfach jung und unbedarft und das „Räuber und Gendarm-Spielen“ und Herumgeballere hat mir Spaß gemacht. Dass im Ernstfall Deutschland (und damit meine Heimat) eine atomare Wüste werden würde, habe ich gar nicht realisiert.
Natürlich sind wir Kriegspartei. Wenn ich (nur) einen Teilnehmer an einem Streit mit Waffen und Munition versorge, habe ich „Partei ergriffen“ und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich selber aktiv teilnehme. So war es mit den USA 1916 und 1940. Erst die Versorgung Englands mit Kriegsgerät und Munition; und kurz darauf das „Mitkämpfen“. Eine erschreckende Parallele!