Toter als tot – geht das?

Innenstädte sterben aus

„Mit der Wahrheit ist es wie mit einer stadtbekannten Hure. Jeder kennt sie, aber es ist peinlich, wenn man ihr auf der Straße begegnet.“
Wolfgang Borchert

Kleinstädte

Nienburg ist nur halb so groß wie der Friedhof von Chicago, dafür aber doppelt so tot. Ich glaube, ich habe diesen Spruch schon einmal genutzt. Aber leider trifft dieser Spruch genauer, als wir vielfach glauben wollen.

Vor wenigen Tagen war ich wieder einmal in der Stadt, und es war nichts los. Ich bin überzeugt, dass dabei Nienburg kein Einzelfall ist. Heute gab es bei MOMA beispielsweise einen Bericht zu diesem Thema. Und da wurde das gleiche über Emden berichtet. Wie es in den Großstädten aussieht, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ich bin überzeugt, dass viele Kreisstädte in Deutschland das gleiche Problem haben. Die Innenstädte haben ihre Attraktivität verloren.

Emden

Der MOMA-Bericht zeigt nun auf, wie der Bürgermeister von Emden versucht, das Aussterben seiner Innenstadt aufzuhalten. Er stellt dabei fest, dass die Innenstadt langweilig geworden ist. Es fehlt irgendwie der Event-Charakter. Was er damit genau meint, bleibt unklar.
Des Weiteren stellt er fest, dass der Autoverkehr für ein mögliches Flanieren hinderlich ist. Er will also die Fußgängerzone ausweiten. Ich glaube aber, dass hier insgesamt zu kurz gedacht wird. Und ich glaube weiterhin, dass der Zug längst abgefahren ist. Und was einmal verloren ist, ist schwer zurückzugewinnen.

Warum bin ich in die Stadt gegangen?

Naja, irgendwas hat man ja immer gebraucht. Dann fährt man eben mal in die Stadt. Voraussetzung ist aber, dass man citynah einen vernünftigen Parkplatz finden kann. Ich finde es nämlich ätzend, wenn man mit all den Einkäufen quer durch die Stadt eiern muss, um dann irgendwo sein Auto auf einem P&R-Parkplatz zu finden. Noch schlimmer finde ich es, wenn man mit all diesen Paketen in den öffentlichen Nahverkehr einsteigen muss.

In vielen Kleistädten funktioniert das noch super. Also ab in die Stadt. Und wenn man dann noch ein wenig Zeit hat, dann hat man auch schon mal ein Lokal aufgesucht. Ein Baileys-Kaffee ist immer noch drin.
Im Sommer ist man auch schon mal mit den Kindern los. Dann gab es statt Kaffee halt ein Eis. Irgendwie war das eigentlich immer sehr schön.
Ich weiß nicht, wie es ihnen so geht. Aber ich mache das heute höchst selten. Selbst wenn ich etwas auf dem Amt erledigen muss, dann fahre ich da schnell hin, und bin auch genau so schnell wieder weg. Einen Kaffee zwischendurch? Eher selten.

Wovon lebt eigentlich so eine Innenstadt

Stellt sich die Frage, was solche Innenstädte eigentlich ausmacht. Natürlich haben solche Innenstädte den Vorteil, dass man fast alles auf engem Raum bekommen kann. Aber das ist ja nicht alles. Wichtig sind eben auch diese kleinen traditionellen Geschäfte, die möglicherweise schon mehrere Jahrzehnte ihren Sitz in diesen Innenstädten haben. Und die stehen jetzt vor großen Problemen.

Die Probleme der kleinen Läden

Seit 2020 sind diese kleinen Läden nämlich dauerhaft in einem Krisenmodus. Als Corona aufkam, da wurden ganze Fußgängerzonen dicht gemacht. Für die Großen ist das durchaus verkraftbar. Aber gerade die Kleinen sind da schnell an Grenzen angelangt. Und dass die staatlichen Hilfen häufig nicht angekommen sind, ist ja nun auch nicht neu. Das hat bei vielen schon an der Existenz gekratzt.

Und als das gerade überstanden war, da kommt doch diese unselige Energiekrise. Für viele kleine Läden war das dann das endgültige Aus. Und je nachdem wo sie gerade unterwegs sind, sehen sie viele kleine Läden leer stehen. Tja, viele haben aufgeben müssen.

Was hierbei wichtig ist. Diese Situation ist nicht plötzlich über uns hereingebrochen. Sie ist vielmehr durch politische Fehlentscheidungen leichtfertig verursacht worden. Dass diese Lockdowns genau zu so einer Situation führen könnte, war schon frühzeitig klar. Ich frage mich nur, warum haben sich die Handelsverbände nicht gewehrt. Auch der Städte- und Gemeindebund hat ja das traurige Spielchen mitgemacht.
Und auch die Energiekrise ist hausgemacht. Das was jetzt passiert ist der Preis für unsere Doppelmoral.

Nun kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Gerade diese kleinen Läden sind häufig Familienbetriebe. Und die finden dann auch häufig keinen Nachfolger mehr. Wer will so einen Scheißjob denn auch noch machen. Dafür, dass man viele Überstunden schrubben muss, verdient man dann auch noch weniger Geld. Und die Pachtpreise in den Innenstädten haben es mittlerweile auch in sich. Die werden auch nicht billiger. Denn auch für diese Ladenlokale gelten ja die habeckschen Umweltauflagen.

Das Internet

In der Corona-Zeit haben viele Menschen das Internet-Shopping für sich entdeckt. Keine Parkplatzsuche, die Waren werden mir nachhause geliefert. Oftmals sind die Artikel dann auch noch billiger als im Handel. Warum sollte ich also in Zukunft noch in die Stadt gehen. Tja, warum eigentlich. Viele Menschen haben sich daran gewöhnt. Einkaufen im Internet geht super. Und da können die Stadtväter machen was sie wollen. Diese Kunden sind auf ewig verschwunden. Die kommen nicht wieder. Weg ist weg.

Attraktivität

In Emden versucht man es jetzt damit, dass man die Fußgängerzone erweitert. Das bringt aber gar nichts, wenn sich dort niemand ansiedeln will. Zum zweiten sind auch Fußgängerzonen nicht der Weisheit letzter Schluss. Das zeigt beispielsweise die Friedrichstraße in Berlin. Dort sind nämlich die Geschäfte verschwunden, als man eine Fußgängerzone eingerichtet hat. Und ich glaube auch nicht, dass es mehr Gaststätten geben wird. Dazu müssten Unternehmer erst einmal sehen, dass sie auch Gewinne erwirtschaften können. Und da sind wir dann wieder bei den deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten. Das Geld für den Kaffee zwischendurch sitzt nun mal nicht mehr so locker.
Attraktivität muss man sich halt auch leisten können.

Fazit

Ich bin mir sicher, dass das Innenstadtsterben nicht mehr aufzuhalten ist. Ich gehe eher davon aus, dass sich das sogar noch beschleunigt. Das hängt auch mit dem demographischen Wandel zusammen. Diese Entwicklung ist aber schon seit Jahren voraussehbar.

Und wer erst jetzt nach Lösungen sucht, kommt deutlich zu spät. Wie heißt es so schön? Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Kommentar verfassen