Die Akte Hempel

Sexuelle Gewalt im Sport

„Sprechen wir von der Kinderprostitution oder dem Missbrauch der Kleinsten, dann sprechen wir von nichts weniger als der Hölle! Kein Schattenreich kann satanischer sein als das, was wir Menschen uns in diesem Sektor leisten.“
Christa Schyboll (deutsche Buchautorin)

Was ich verurteile

Ich bin kein gläubiger Christ. Und trotzdem bedeuten mir die zehn Gebote sehr viel. Letztendlich sind diese die Grundlage unseres Rechtsstaates. Und eigentlich sind sie auch Grundlage für unser Verständnis im Strafgesetzbuch.

Es gibt viele Straftaten, für die ich manchmal sogar ein gewisses Verständnis aufbringe. Wer in tiefer Not einen Diebstahl begeht, den kann ich im Einzelfall vielleicht sogar noch verstehen.

Wenn es aber in den Bereich „Verletzung der körperlichen Unversehrtheit“ geht, dann wende ich andere Maßstäbe an. Selbst da kann ich das eine oder andere noch akzeptieren. Wenn sich zwei Männer die Fresse polieren, aus welchen Gründen auch immer, dann sollen sie es tun. Auch wenn sich zwei Frauen gegenseitig die Augen auskratzen, bitte schön.

Wo es bei mir allerdings aussetzt ist, wenn Schwächeren Gewalt angetan wird. Wenn Männer Frauen zu sexuellen Handlungen zwingen, dann gibt es für mich kein Verständnis mehr. Solches Verhalten ekelt mich regelrecht an. Manchmal könnte ich mir bei solchen Tatbeständen die Todesstrafe vorstellen. Aber das soll hier nicht Thema sein.

Mit Abstand am schlimmsten ist aber für mich, wenn Kinder, Schutzbefohlene, solcher Gewalt unterzogen werden. Das ist einfach nur unterirdisch. Und da gibt es dann auch kein Verständnis mehr. Schlimme Jugend oder so was darf hier absolut kein Argument mehr sein. Und genau so schlimm wie die Täter sind die, die es wissen und dazu schweigen.

Bei den folgenden Ausführungen bitte ich sie, das zu berücksichtigen. Denn manchmal gibt es auch Grund zu zweifeln.

Kennen sie Hajo Seppelt?

Seppelt ist einer der investigativen Journalisten, der sich einen Namen als Dopingexperte bei der ARD gemacht hat. Er hatte seinerzeit intensiv recherchiert im Zusammenhang mit dem Staatsdoping in Russland. Unter anderem waren seine Recherchen die Ursache für die Suspendierung russischer Sportler. Warum er in Kenia oder China nicht den gleichen Eifer an den Tag gelegt hat , weiß wahrscheinlich nur er selbst.

Nun denn, es ist momentan ziemlich ruhig um Doping geworden. Ich bin mir sicher, das weiterhin gedopt wird. Es wird in den Medien halt nicht mehr thematisiert. Vielleicht ist es tatsächlich weniger geworden.

Die European Championships und ihr Skandal

Warum habe ich ihnen aber diesen H. Seppelt vorgestellt. Nun, er ist immer auf der Suche nach dem Bösen. Und er ist wieder einmal fündig geworden. Diesmal geht es um sexuellen Mißbrauch von Kindern im Bereich des deutschen Schwimmverbandes. Und genau zu einer Großveranstaltung wie die European Championships taucht dazu eine Dokumentation auf. Der Zeitpunkt ist schon ein wenig auffällig. Aber sei es drum.

Seppelt hat dazu eine Dokumentation produziert, die ich am Ende verlinkt habe. Seine Recherchen gehen dabei bis in die Achtziger zurück. In seiner Dokumentation hat er mehrere Betroffene aus unterschiedlichen Vereinen zu Wort kommen lassen. Alle sind von ihren Trainern oder Betreuern sexuell belästigt, teilweise sogar vergewaltigt worden. In der Dokumentation hat er beispielhaft drei Geschichten etwas intensiver behandelt. Ich will nur eine kurz darstellen. Wer es genauer haben will, der möge sich die Doku ansehen, dauert halt gut 50 Minuten.

Der Fall Hempel

Es geht um den Wasserspringer Jan Hempel. Hempel ist Jahrgang 1971 und ist in Dresden zur Welt gekommen. Er ist schon in der DDR in den Kader für den Spitzensport aufgenommen worden und hat später für die DDR und auch die BRD viele Medaillen bei Weltmeisterschaften und olympischen Spielen errungen.

Sein Martyrium beginnt gemäß seinen Aussagen schon mit elf Jahren. Täter ist sein Trainer Werner Langer. Jetzt wächst Hempel bei seiner Mutter auf, die Eltern sind geschieden. Und Langer übernimmt in gewisser Weise eine Vaterrolle. Die Schwäche des Kindes nutzt er dabei in meinen Augen schamlos aus. Hempel vertraut sich niemanden an. Er hätte es möglicherweise auch schwer gehabt. Den Langer war inoffizieller Informant für die Stasi. Da hält man dann doch besser mal das Maul.

Die Übergriffe fanden anfangs eher selten statt, vielleicht einmal im Monat. Später wurde es immer mehr. Nach Aussage Hempels soll es dann sogar zu täglichen Übergriffen gekommen sein. Dabei soll auch Krankheit kein Hindernis gewesen sein.
Auch nach der Wende vertraut sich Hempel zunächst einmal niemandem an. Und Langer macht weiter. Selbst unmittelbar vor einem Wettkampf bei den olympischen Spielen 1992 in Barcelona soll Langer Hempel auf der Toilette vergewaltigt haben. Mittlerweile war Hempel 21 Jahre alt. Und es folgten noch vier weitere Jahre. Erst 1996 wehrt er sich, sucht Verbindung zu einer Trainerin. Zunächst passiert nichts. Später wird Langer suspendiert. Allerdings nicht wegen sexuellen Mißbrauchs, sondern wegen seine Stasivergangenheit.

Wo kommen mir Zweifel

In solchen Fällen ist es immer schwierig, weil die Betroffenen nicht reden, das Fehlverhalten zur Anzeige bringen. Und man sieht es den Pädophilen ja nicht an. In seinem Interview gibt Hempel sogar an, dass er auch von Anderen gewusst habe, die das selbe erlitten haben. Trotzdem sagt er, sie seine doch alleine gewesen. Nun, ich kann das Problem verstehen, Scham spielt da eine große Rolle, aber alleine waren sie nicht. Und wenn dann mehrere das gleiche sagen, dann fällt es der Führung schwer, so etwas unter den Tisch zu kehren. Ich kann auch nachvollziehen, dass es in der DDR deutlich schwieriger gewesen ist. Aber die war 1992 in Barcelona Geschichte.

Ich frage mich auch, warum Hempel nicht schon früher an die Öffentlichkeit getreten ist. Oder sich wenigsten gewehrt hat. 1992 war er 21 Jahre alt, da hätte er sich körperlich mit Sicherheit den Übergriffen erwehren können. Spielt hier so etwas wie das Stockholm-Syndrom eine Rolle? Ich weiß, es nicht. Den Täter wird man nicht mehr fragen können. Langer beging 2001 Selbstmord. Und dessen Vorgestzte hüllen sich in Schweigen. Sind vergesslich. Aber das kennen wir ja auch von anderer Stelle.

Kommentare von Seppelt

Seppelt stellt das natürlich so dar, als sei der DSV durch und durch korrupt. Als würde der Verband vorsätzlich all diese Erkenntnisse unter den Teppich kehren. Er spricht im DSV sogar von einer Kultur des Wegschauens.
Ich kann das weder bestätigen, noch kann ich es widerlegen. Fest steht, es gibt etwa 2000 Schwimmvereine in Deutschland. Ich selbst habe in einem längere Zeit als Trainer gearbeitet. Bei Wettkämpfen erlebt man dann auch andere Vereine. Also, dass Pädophilie ein Massenproblem ist, ist mir dabei nicht aufgefallen. Aber sicher ist nichts. Richtig ist allerdings, dass der Schwimmsport aufgrund der Sportbekleidung für Pädophile anregend ist. Ja, das Problem besteht. Trotzdem ist nicht jeder Trainer oder Betreuer automatisch ein Vergewaltiger. Und weggeschaut hätte ich niemals.

Zusammenfassung

Hempel hat hier eine Dokumentation verfasst, die in seinen Worten die „Untiefen des deutschen Schwimmverbandes“ aufzeigt. Wie immer ist alles so böse und grauenvoll. Er benutzt als Beweis Vorfälle, die mittlerweile mehr als 20 Jahre, im Fall Hempel sogar fünfzig Jahre zurückliegen. Eine Beweisführung ist kaum noch möglich. Hempel selbst leidet schon an Demenz. Noch kann er sich erinnern, wie er sagt. Aber warum äußert er sich erst jetzt? Und wie ist Seppelt auf ihn gekommen? Warum äußern sich andere Betroffen nur anonym?
Ein Problem in diesem Umfeld ist, dass sich die Betroffenen nicht äußern. Und woher soll man als Außenstehender etwas wissen, wenn man es nicht gesagt bekommt.

Das zweite Problem ist die Glaubwürdigkeit. Es ist leider viel zu oft vorgekommen, dass Dinge bahauptet wurden, und im Nachhinein stellte sich heraus,dass alles gelogen war. Der Fall Kachelmann ist hier ein typisches Beispiel.

Ich glaube Hempel

Trotzdem, ich glaube Hempel. Ich glaube auch den anderen Zeugen in der Dokumentation. Ich bin mir sicher, dass sexuelle Übergriffe vorkommen. Und da gibt es nichts zu beschönigen. Siehe auch meine Einlassungen zu Beginn. Was ich mich allerdings frage, was soll die Führungsspitze des DSV dagegen tun? Wenn dem Vorstand nichts gemeldet wird. Und soviel Zeit wie Seppelt haben diese Akteure nicht. Häufig sind das Ehrenamtliche.

Außerdem sind solche Übergriffe ein Sache für die Staatsanwltschaft. Dazu muss aber dann erst eine Anzeige bei der Polizei vorliegen. Übrigens, bei solchen Straftaten handelt es sich um Offizialdelikte. Da muss die Staatsanwaltschaft von Amts wegen ermitteln. Wenn Seppelt doch alles so genau weiß, wieso hat er keine Anzeige erstattet? War es mit den Beweisen vielleicht doch nicht so gut?

Wie dem auch sei. Wenn so etwas auftritt, dann gibt es kein Wegschauen. Und dann gibt es auch keine Freundschaft mehr. Dann gibt es nur noch den Weg vor Gericht. Zumindestens für mich gilt das. Ohne wenn und aber.

Die Links

Die ersten Beiden Links sind die Zusammenschnitte für die Nachrichten, Dauer etwa 4 Minuten.
Der dritte Link führt zur gesamten Dokumentation. Dauer etwa 50 Minuten. Da wird dann auch noch der Fall Thomas Lurz ausgearbeitet.

https://www.zdf.de/sport/european-championships/turmspringen-hempel-missbrauch-langer-100.html

https://www.zdf.de/nachrichten/sport/wasserspringer-hempel-missbrauch-100.html

ARD/missbraucht-sexualisierte-gewalt-im-deutschen-schwimmsport

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