Da habe ich ja noch einmal Glück gehabt

Wie weit geht die Meinungsfreiheit

„Herr Präsident, sie sind ein Arschloch mit Verlaub.“
Joschka Fischer zu Richard Stücklen (1984)

Früher war es gröber

Wenn ich mich an Bundestagsdebatten in den Siebzigern und Achtzigern erinnere, da habe ich das Gefühl, dass es da sehr viel heftiger zuging als heute. Und trotzdem hat da keiner geklagt. Es kam auch keiner auf die Idee, irgendwelche Gesetze zu erschaffen. Tatbestände wie „Delegitimierung des Staates“ zu konstruieren, auf so eine Idee wären selbst die Linken nicht gekommen.
Und wenn man dann heute noch erleben muss, was da alles Volksverhetzung sein soll, da kann einem schon angst und bange werden. Ich glaube, noch nie war eine Regierung so empfindlich wie heute. Letztendlich erkennt man das auch an den vielen Anzeigen, die Politiker gegen Kritiker anstrengen.

Ich habe manchmal Angst

Nun kennen sie ja meinen Blog. Und sie wissen auch, dass ich manchmal zu derben Ausdrücken greife. Ich bin mir auch sicher, dass ich da hin und wieder den Tatbestand der Beleidigung überschreite. Ob ich mit der einen oder anderen Aussage auch schon den Tatbestand Volksverhetzung erfülle weiß ich nicht. Dafür ist dieses Vergehen im Strafgesetzbuch nicht klar genug definiert. Und so habe ich in einem Gespräch mit meiner Tochter einmal gesagt, vielleicht ist es gut, dass mein Blog keine so große Reichweite hat. Ansonsten hätte ich vielleicht schon mal Besuch von der Polizei bekommen. Gott sei Dank lassen die mich noch in Ruhe.

Der Fall Reichelt

Auf Twitter erschien im August 2023 ein Artikel mit der Überschrift: „Deutschland zahlt wieder Entwicklungshilfe für Afghanistan“. Diesen Artikel kommentierte Julian Reichelt wie folgt: „Deutschland zahlte in den letzten zwei Jahren 370 MILLIONEN EURO (!!!) Entwicklungshilfe an die Taliban. Wir leben im Irrenhaus, in einem absoluten, kompletten, totalen, historisch einzigartigen Irrenhaus. Was ist das nur für eine Regierung?!“
Das hat der völlig inkompetenten Svenja Schulze natürlich nicht gepasst. Sie war nämlich der Meinung, dass ihre Zahlungen ausschließlich an Hilfsorganisationen in Afghanistan gezahlt würden.

Und die glaubt wahrscheinlich wirklich, dass die Taliban solche Organisationen in ihrem Land frei arbeiten lassen. Dabei haben diese Brüder doch gerade wieder Steinigung und Auspeitschung für Ehebruch als Strafe eingeführt. Gilt übrigens nur für Frauen. Und dann glaubt die wirklich, die Taliban würden diese Hilfsgelder nicht abgreifen. Die glaubt wahrscheinlich auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.

Also hat die Bundesregierung, eigentlich die Svenja, gegen diesen Post beim Kammergericht Berlin geklagt. Und Überraschung, sie hat dort sogar Recht bekommen. Bei der auf links gebügelten Berliner Justiz ist das aber kein Wunder. Julian Reichelt hat sich das aber nicht gefallen lassen. Und hat Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Das Urteil

Das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil des Kammergerichts Berlin aufgehoben. „Die Entscheidung des Kammergerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz. (…) Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten“.
Unter diesen Umständen ist es auch fraglich, ob sich Nancy Faeser mit dem neuen Strafrechtsparagrafen zur Delegitimierung des Staates noch auf dem Boden der Verfassung bewegt. Und dass der Verfassungsschutz möglicherweise schon bei Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze reagiert, auch das dürfte nach diesem Urteil ausgesprochen fragwürdig sein.

Heißt es nicht immer, die Rechten bzw. die AfD wären Feinde der Verfassung? Nach diesem Urteil sehe ich viel eher die SPD und die Grünen als Verfassungsfeinde. Aber irgendwie habe ich das schon immer geahnt.

Beleidigung

Soldaten sind Mörder. Ist das eine Beleidigung? Nein. Das Zitat ist schon uralt. Stammt vom Schriftsteller Kurt Tucholsky. Das Zitat wurde aber immer wieder von Friedensbewegten aufgegriffen. Dagegen hatte seinerzeit Franz-Josef-Strauss als Verteidigungsminister geklagt. Die Klage wurde abgewiesen, weil man nur Einzelpersonen beleidigen kann. Mit einer solchen Aussage zu einer gesamten Gruppe ist somit nicht möglich.
Somit sind auch Aussagen wie „Grüne sind dumm“ oder „nur Dumme wählen Grün“ keine Beleidigungen. Mal abgesehen davon, dass diese beiden Aussagen auch noch der Wahrheit entsprechen.

Anders ist es allerdings, wenn ich dabei eine Person direkt anspreche. Die Aussage „Annalena Baerbock ist dumm“ erfüllt unter Umständen den Tatbestand der Beleidigung. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob diese Aussage richtig oder falsch ist.

Die Medien

Natürlich taucht dieses Urteil in vielen Medien auf. Mal abgesehen davon, dass die ÖR nicht den geringsten Anlass sehen, dazu zu berichten. Klar, wenn man im Glashaus sitzt. Aber man erkennt auch wieder das bekannte Spiel, dass die Main-Stream-Medien versuchen, Julian Reichelt gleich wieder als Rechtspopulisten zu brandmarken. Tja, er hat gegen die Regierung recht bekommen. Und dann ist man heute halt Rechtspopulist. In deren Augen dürfte das auch auf mich zutreffen.

Zusammenfassung

Ich glaube, dass mit diesem Urteil ein wichtiges Grundrecht gestärkt worden ist. Man kann den Staat nicht delegitimieren. Man kann den Staat auch nicht beleidigen. Nicht einmal die Regierung kann man beleidigen. Und das ist gut so.
Einzelne Politiker kann man aber sehr wohl beleidigen. Das geht. Allerdings müssen auch hier besondere Maßstäbe angestellt werden. Politiker stehen nun mal in der Öffentlichkeit. Und da rutschen dem Einen oder Anderen auch schon mal Worte raus, die nicht so ganz passen. Von einem Politiker ist aber zu erwarten, dass er auch so etwas erträgt. Leider ist diese Fähigkeit Vielen abhandengekommen.
Ich möchte nicht wissen, wie viele Klagen vermieden werden könnten, wenn unsere Spezialdemokraten etwas dickfelliger wären.
Ich für meinen Teil dürfte mich in der Masse noch auf legalem Boden bewegen. Auch wenn es manchmal knapp ist. Ich verspreche ihnen aber, ich werde meinen Stil nicht ändern. Nicht für diese Nichtsnutze in der Regierung.
Und nochmal. Man kann nur Menschen beleidigen. Die Grünen kann man nicht beleidigen.

Links

Wenn sie googeln „Reichelt, Gerichtsurteil“, dann werden sie auf unzählige Beiträge weitergeleitet. Ich habe ihnen zwei davon verlinkt. Der Artrikel von der Welt ist aber hinter einer Bezahlschranke und kann daher möglicherweise nicht von jedem gelesen werden.

Ein Sieg für unser wichtigstes Grundrecht: „Es ist ein Signal zur rechten Zeit, in der die Meinungsfreiheit zunehmend unter Druck gerät“  | NIUS.de

Urteil aus Karlsruhe: Wer nur die Meinungsfreiheit der „Richtigen“ verteidigt, hat ihre Funktion nicht verstanden – WELT

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