Das Ende des Engagements in Afghanistan

Ehemalige afghanische Mitarbeiter wollen nach Deutschland

Die internationale Gemeinschaft hat den Einsatz in Afghanistan beendet. Der letzte deutsche Soldat hat das Land nach 20 Jahren verlassen, still, leise und unbemerkt. Die Taliban sind auf dem Vormarsch und erobern Provinz für Provinz. Kaum ein halbes Jahr nachdem die internationale Gemeinschaft das Land verlassen hat, herrscht derselbe Zustand wie 20 Jahre zuvor.

Darüber will ich aber gar nicht sprechen, zumindest nicht jetzt.
In den letzten Tagen poppt aber ein Thema auf, was damit in unmittelbarem Zusammenhang steht. Viele Afghanen, die in den letzten 20 Jahren für deutsche Organisationen in Afghanistan gearbeitet haben, versuchen jetzt nach Deutschland zu flüchten. Sie würden aufgrund ihrer Tätigkeit von den Taliban als Verräter betrachtet. Sie und ihre Familien würden bedroht.

Und schon regt sich bei den Deutschen das Helfersyndrom. Man könne doch nicht… Man müsse doch wohl… Was da so alles gesagt wird, können sie gut in den Medien verfolgen.

Was sind das für Leute

Es gab dort grundsätzlich zwei unterschiedliche Beschäftigungsformen.

Tagelöhner

Für einfache Tätigkeiten wurden Tagelöhner eingestellt. Diesen wurde ein tägliches Entgelt von 3-5 Dollar ausgezahlt. Diese wurden bei Bedarf täglich rekrutiert. Solche Ortskräfte sollten jetzt durch die Taliban kaum gefährdet sein. Denn auch die Taliban wissen, dass der Mensch von irgendetwas leben muss.

Festangestellte

Darüberhinaus gab es aber auch Festangestellte. Abhängig von der Qualifikation bekamen solche Leute Wochenverträge, bei besonderer Eignung auch Monatsverträge. Wenn sich dann das Vertrauensverhältnis entsprechend entwickelte, die Leistung auch entsprechend war, dann waren auch längerfristige Verträge möglich. Die Bezahlung war bei solchen Verträgen dann auch entsprechernd gut. In der Regel waren das Afghanen mit einer entsprechenden Ausbildung. Insbesondere Handwerker und Leute mit Sprachkenntnissen waren sehr gefragt. Und wenn die Reputation dieser Mitarbeiter gut war, dann konnte es passieren, dass sich die Organisationen diese Mitarbeiter gegenseitig abwarben. Insbesonder UN-Organisationen kamen da häufig ins Spiel. Das wirkte sich logischerweise auch auf das Gehaltsniveau aus. Die UN hat immer gut bezahlt.

Die Gehälter der Festangestellten

Die meisten Hilfskräfte wurden nach Stunden abgerechnet. Im Regelfall hatten sie eine 6-Tage-Woche. Die täglichen Stunden richteten sich nach dem Bedarf, allerdings durfte eine Mindeststundenzahl nicht unterschritten werden. Es soll auch Hilfskräfte gegeben haben, die einen Monatslohn bezogen, solche Fälle sind mir aber nur von UN-Organisationen bekannt. Je nach Aufgabe wurden Stundenlöhne zwischen drei und fünf Dollar bezahlt, teilweise auch mehr. Bei einem Sprachmittler war da schon ein Monatsgehalt von gut 1.000 Dollar möglich.

Die Einkommensverhältnisse im Land

Das hört sich wenig an. Deshalb müssen wir die Einkommensverhältnisse im Land genauer betrachten.
Als ich das 2002 das erste mal in Afghanistan war, da verdiente ein Arzt im Krankenhaus etwa 80 Dollar im Monat. Ich betone das noch einmal: 80 Dollar im Monat! Der gleiche Arzt konnte bei einer Minenräumfirma als Sanitäter das Dreifache verdienen. Die Minenräumfirmen waren in der Regel von der UN beauftragt.
Fünf Jahre später verdienten Ärzte im Krankenhaus dann ca. 200 Dollar im Monat. Allerdings konnten Hilfskräfte bei den internationalen Organisationen auch 2.000 Dollar und mehr monatlich erzielen. Die Bundeswehr gewährte sogar einen Gefahrenzuschlag für Ortskräfte, wenn sie aufgrund ihrer Aufgabe mit der Truppe in besondere Gefahrenbereiche mussten.

Sie sehen also, die lokalen Hilfskräfte wurden im Vergleich zur Gesamtgesellschaft fürstlich entlohnt.

Das Risiko

Natürlich erzeugen solche Unterschiede Neid. Das ist hier aber gar nicht die Frage. Vielmehr geht es darum, ob es den Ortskräften bewusst war, welcher Gefahr sie sich aussetzen.
In diesem Zusammenhang konnte ich verschieden Gespräche mit Sprachmittlern führen. Eine Aussage war bei all diesen Gesprächen identisch. Sie sagten, wenn die internationalen Kräfte das Land verlassen und die Taliban zurückkommen, dann wird es für uns gefährlich. Dann müssen wir sehen, wie es weiter geht. Also war ihnen diese mögliche Gefahr vollends bewusst. Ich hatte auch dass eine oder andere mal danach gefragt, warum sie denn dann bei uns arbeiten würden? Die Antwort war klar, mehr Geld könne man sonst nirgendwo verdienen. Und vielleicht reiche das Geld ja, um im Fall der Fälle auswandern zu können.

Besteht eine moralische Pflicht, diese Menschen in Deutschland aufzunehmen?

Darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein. Ich sehe eine solche Verpflichtung nicht. Ein Großteil dieser Leute war sich des Risikos wohl bewusst. Und das Risiko wurde durch gute Gehälter auch ordentlich entlohnt. Warum sollte ich jetzt zum Handeln gezwungen sein, wo das Risiko doch bekannt war. Keiner von ihnen war gezwungen für die Internationalen zu arbeiten. Sie haben das alle freiwillig gemacht. Dass daraus jetzt ein moralischer Anspruch geltend gemacht wird, kann ich nicht nachvollziehen.

Fazit

Ein rechtlicher Anspruch für die Aufnahme ehemaliger Mitarbeiter in Afghanistan besteht nicht. Die Bezahlung war gut, und sie kannten ihr Risiko. Daher sehe ich auch eine moralische Verpflichtung nicht.
Anders sieht es aus, wenn man die Verfolgung vieler Menschen durch die Taliban in Betracht zieht. Dann könnte eine Aufnahme von Flüchtlingen durchaus angesagt sein. Das gilt dann aber für alle Afghanen gleichermaßen. In diesem Falle sollte man bedenken, dass insbesondere Frauen und Mädchen einer besonderen Gefahr unterliegen. Mich wundert, dass sich bisher unsere Feministinnen noch nicht zu Wort gemeldet haben.
Dieser Sachverhalt soll aber nicht Thema dieses Beitrages sein.

Noch einige Gedanken zum Schluss

Während der letzten 20 Jahre haben sich die Afghanen unter den Schutz der internationalen Gemeinschaft gestellt. Diese hat in Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung versucht, funktionierende Sicherheitskräfte (Militär und Polizei) aufzubauen. Das hat nur leidlich funktioniert, wie die Gegenwart zeigt.

Die vielen Ortskräfte waren in der Regel junge und gesunde Leute. Warum gehen die jetzt nicht zur afghanischen Armee, nehmen ein Gewehr in die Hand und unterstützen diese im Kampf gegen die Taliban?
Irgendwie steckt da was typisch Deutsches drin. Wenn es einfach ist und man in gutem Licht dasteht, da sind wir dabei. Wenn es aber gefährlich und schmutzig wird, dann hauen wir lieber ab. In diesem Sinne „willkommen in Deutschland“. Ihr passt gut zu uns.

Der polnische Politiker Jarosław Kaczyński hat einmal sinngemäß gesagt, es könne nicht sein, dass polnische Streitkräfte in anderen Ländern für die Freiheit kämpfen, Bürger dieser Länder aber in unseren Fußgängerzonen Kaffee tränken. Die deutschen Moralisten hatten sich seinerzeit über ihn gestürzt, das sei doch rechtsextrem usw.
Ich frage mich aber auch, ob es nicht Pflicht des eigenen Volkes ist, für die eigene Freiheit zu kämpfen. Europa hat das in der Geschichte mehrfach bewiesen, beispielsweise in der französischen Revolution. Ja, blutig war das auch.

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