Was ist los in Saporischschja?
„Wenn die Menschen wüssten, was der Tod ist, dann hätten sie keine Angst mehr vor ihm. Und wenn sie keine Angst mehr hätten, könnte keiner ihnen ihre Lebenszeit stehlen.“
Michael Ende (aus dem Buch Momo)
Saporischschja wird beschossen
Seit Wochen berichten die Medien immer wieder, dass das AKW in Saporischschja beschossen würde. Ich weiß nicht ob ich das glauben soll oder nicht. Es gibt für mich einfach zuviele Ungereimtheiten. Deshalb habe ich mich noch einmal mit diesem Thema befasst.
Möglicherweise ist ihnen noch ein Bericht in Erinnerung, den ich im März verfasst habe. Das war im Zusammenhang mit den Kämpfen, als russische Truppen das Kraftwerk eroberten. Näheres siehe hier.
Auch damals soll es heiße Kämpfe gegeben haben. Nichts desto trotz, das Kraftwerk ist weiterhin in Betrieb.
Die Region um Saporischschja
Auf diesem Bild sehen sie die umkämpften Gebiete, wie sie in der Welt dargestellt werden. Saporischschja liegt also in der Frontregion.
Und jetzt machen wir es uns wieder einmal ganz einfach
Da ist einer, der will etwas haben. Auf der anderen Seite steht einer, der das nicht hergeben will. Eigentlich ist das eine Situation, wie wir sie täglich auf jedem Schulhof erleben. Und jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Einer der Beiden erkennt, dass er dem Anderen unterlegen ist und gibt klein bei. Das kann der Angreifer, wie auch der Verteidiger sein. Sollten aber beide glauben, sie seien dem Anderen überlegen, dann wird aufeinander eingedroschen. Da kann es auch zu Irrtümern können.
Ist mir selbst auch mal passiert. Hatte mich da mit einem angelegt. Erst später erfuhr ich, dass der Boxer war. Blöd gelaufen.
Zurück zu unserem Konflikt
Die Russen sind in die Ostukraine eingedrungen. Sie wollen sich die Region um Luhansk und Donezk einverleiben. Die Region um Mariopol hätten sie auch ganz gerne als Brücke zur Krim. Die Ukrainer wollen das aber nicht zulassen. Also wird aufeinander eingedroschen. Wenn man den Medien glauben darf, derzeit ziemlich heftig. Natürlich wird im Krieg geschossen, das hat der Krieg nun mal so an sich. Wie sagt man so schön ketzerisch: Krieg ist die Hölle, aber der Sound ist gut. Und dass da jetzt Saporischschja in Mitleidenschaft gezogen wird, ergibt sich ganz einfach aus der Nähe zur Frontlinie.
Die Bedeutung des Kernkraftwerkes
Das Kernkraftwerk Saporischja ist eines der größeren Kraftwerke im Osten der Ukraine. Es versorgt große Teile der von Russland besetzten Gebiete mit Strom. Daher ist es durchaus verständlich, dass Rusland versucht hat, das Kraftwerk unter eigene Kontrolle zu bekommen. Da von hier aber auch Bereiche mit Strom versorgt werden, die nach wie vor unter Ukrainischer Kontrolle stehen, ist es nachvollziehbar, dass die Ukrainer das Kraftwerk gerne wieder in eigene Hände bekommen würden.
Die derzeitige Lage
Es ist wohl so, dass russische Streitkräfte das Kraftwerk kontrollieren. Die Facharbeit wird aber weiterhin von den ukrainischen Arbeitskräften erledigt. Das bestätigt auch ein Inspektionsteam der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA).
Diese Team hat in den letzten Tagen eine Sicherheitsinspektion durchgeführt. Eine besondere Erhöhung der Radioaktivität sei dabei nicht festgestellt worden.
Es gibt zwar Schäden durch den Beschuss, die inakzeptabel seien, die Sicherheitssystem würden aber noch funktionieren. Die Hauptschäden seien an zwei Gebäuden aufgetreten, die etwa Hundert Meter von den Reaktoren entfernt liegen.
In meinem ersten Bericht hatte ich diese Gebäude als Verwaltungsgebäude identifiziert. Das scheint tatsächlich der Fall zu sein. Die wurden aber schon im März beschossen. Ob die Schäden daher wirklich neu sind, erschließt sich mir nicht.
Der Beschuss
Warum wird aber dieses Kraftwerk überhaupt beschossen. Die Russen halten das Kraftwerk besetzt. Sie wissen, dass ohne dieses Kraftwerk die Stromversorgung in den besetzten Gebieten zusammenbricht. Russland hat also überhaupt kein Interesse an der Zerstörung dieses Kraftwerkes. Und wieso sollten sie es beschießen, das Kraftwerk gehört ihnen doch schon. Mal abgesehen von den Auswirkungen eines GAUs. der würde ja auch die eigenen Kräfte betreffen.
Für die Ukraine gilt aber letztendlich das Gleiche. Zum einen sind große Bereiche auf ukrainischem Gebiet von diesem Kraftwerk abhängig, zum anderen möchte man es ja funktionsfähig wieder in die eigene Hand bekommen. Ein gezielter Angriff auf das Kraftwerk halte ich daher auch von ukrainischer Seite für ausgeschlossen.
Es handelt sich also wahrscheinlich um Irrläufer von beiden Seiten. Sicher wissen kann man es aber nicht. Aber eines steht wohl fest. Wenn wirklich die Absicht bestünde, das Kraftwerk massiv anzugreifen, vielleicht sogar zu zerstören, dann muss man sich fragen, warum Artillerie oder Luftwaffe noch nicht zum Einsatz gekommen sind.
Wie gefährdet ist das Kraftwerk wirklich?
Ich hatte das schon im März beschrieben. Der eigentliche Reaktorkern ist mit einer Betonhülle ummantelt, die sogar einen Flugzeugabsturz Widerstand leistet. Das war besispielsweise in Tschernobyl nicht der Fall. Daraus ergibt sich für mich, dass selbst eine eizelne Rakete, die durch die Artillerie verschossen wird, keine Gefahr für das Kraftwerk darstellt. In wieweit die Notstromversorgung für ein kontrolliertes Herunterfahren des Reaktors gefährdet ist, kann ich nicht beurteilen. Es gibt noch weitere technische Aspekte, weshalb das Kraftwerk Saporischschja nicht mit Tschernobyl vergleichbar ist. Das will ich hier aber nicht weiter betrachten. Wer daran allerdings interessiert ist, möge diesen Bericht lesen, der auf AchGut.com erschienen ist. Ist allerdings ein etwas umfangreicherer Beitrag.
Was also die Gefährdung des Kraftwerkes angeht, sehe ich keinen Grund, meine Meinung vom März zu ändern.
Die Propaganda
Warum aber stellen die Beteiligten diese Situation aber so kritisch dar? Da gibt es wahrscheinlich unzählige Erklärungsversuche. Einer schlechter als der Andere. Trotzdem will ich es versuchen.
Russland kennt die Angst der Europäer, insbesondere der Deutschen, vor einem Gau. Er weiß, dass die Deutschen hysterisch werden, wenn sie nur das Wort Strahlung hören. Er zeigt somit eine Bedrohungslage auf, die alle Beteiligten zu erhöhter Vorsicht zwingt. Zum Zweiten nutzt er natürlich diese Lage dazu, auch die Ukrainer in ein schlechtes Licht zu stellen. Vielleicht hat er sogar Recht damit. Wer weiß das schon?
Die Ukraine wiederum will natürlich aufzeigen, wie gefährlich der Russe zündelt. Somit kann man den Westen dazu bringen, seine Anstrengungen im Bereich der Militäthilfe zu verstärken. Es gibt aber noch ein weitere Argument. Selenskyj weiß genau, dass Deutschland ein Energieproblem hat. Und er hat ja schon angeboten, Strom an Deutschland zu liefern. Atomstrom, versteht sich. Somit muss also sogar Deutschland ein Interesse haben, dass das Kraftwerk nicht hoch geht.
Und unsere Regierung? Natürlich hat man erkannt, dass der Energiekrise ohne Kernenergie kaum beizukommen ist. Und trotzdem nutzt man die Situation, um wieder einmal aufzuzeigen, wie gefährlich Kernenergie wirklich ist. Und das kommt den Grünen doch im Augenblick sehr zu Pass, oder? Wie sagte der plappernde Kleiderständer zuletzt. Die Rückkehr zur Kernkraft sei Irrsinn. Oder wie hört man zuletzt aus den Reihen der Grünen? Jetzt habe man jahrelang für den Ausstieg aus der Atomenergie gekämpft. Das lasse man sich doch jetzt so kurz vor dem Ziel nicht mehr nehmen. Also auch hier kein Sachverstand, sonder Propaganda. Ja, und man muss ja Argumente haben, warum der Bürger jetzt frieren soll.
Zusammenfassung
Ich will definitiv nicht jegliche Gefahr ausschließen, die durch die Kriegshandlungen um Umfeld des Kernkraftwerkes Saporischja verursacht werden. Das geht einfach nicht. Wie ich schon sagte, Krieg ist die Hölle… Trotzdem halte ich die Gefährdung für überschaubar. Und ich habe in den Medien bisher keinen Hinweis gefunden, dass das Kraftwerk gezielt angegriffen wurde. Ich schließe das derzeit auch für die nähere Zukunft aus. Aber auch da kann es Überraschungen geben.
Trotz allem sollte man sich über eines im Klaren sein. Die Hauptargumente der Grünen für den Ausstieg aus der Kernkraft stützen sich eigentlich auf sehr seltene und unvorhersehbare Ereignisse ab. In Japan war es ein Erdbeben in Verbindung mit einem Tsunami und in der Ukraine handelt es sich um einen Krieg. Tschernobyl war tatsächlich ein Gau. Allerdings befand sich die Sicherheitstechnik dieses Kraftwerkes auf einem Stand, der selbst zu Zeiten des Unglücks schon veraltet war. Das ist mit heutigen Kraftwerken nicht mehr zu vergleichen.
Übrigens hat es in den beiden Fällen, Tschernobyl und Fukushima zusammen, weniger Tote gegeben als in Deutschland jedes Jahr auf der Straße sterben. Und Autofahren geben sie ja auch nicht auf. Zumindestens nicht solange es noch bezahlbare Verbrenner gibt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Saporischschja