Verteidigungspolitik im Auge der Ukrainekrise

Munitionsversorgung

„Den Kampf Mann gegen Mann gewinnt bei gleichwertigen Gegnern, wer eine Patrone mehr im Lauf hat.“
Erwin Rommel

Der Ukraine geht die Munition aus

Immer und immer wieder werden Forderungen laut, die Ukraine benötige mehr Munition. In diesem Zusammenhang tauchte kürzlich bei Tichy die folgende Schlagzeile auf: „Russland produziert jeden Monat dreimal so viele Artilleriegranaten, wie der gesamte Westen an die Ukraine liefert.“ Gemäß dieser Meldung produziere Russland jeden Monat über eine Viertelmillion Artilleriegranaten. Sämtliche westliche Verbündete kämen dagegen auf insgesamt 100.000 Granaten. Aber wie kann es sein, dass die gesamte westliche Allianz dem Russen nicht Paroli bieten kann? Diese Frage ist um so brisanter, weil ja ständig verkündet wird, die Ukraine dürfe nicht verlieren.
Zeit also, sich mit dem Thema Munitionsversorgung etwas näher zu befassen.

Grundsätzliches

Ich stütze mich jetzt auf die Erinnerungen, die ich noch an meine alte Bundeswehrzeit habe. Ich weiß nicht, wie die Munitionsversorgung in anderen Streitkräften aussieht, allerdings dürften sich die Systeme durchaus ähneln.

Kampfbeladung

Grundsätzlich unterscheidet man die Kampfbeladung und die Truppenbeladung. Die Kampfbeladung ist die Munitionsmenge, die der Soldat bzw. die Besatzung unmittelbar am Mann hat. Bei einem normalen Schützen mit Gewehr waren das zu meiner Zeit 120 Patronen. Heute dürften das etwas mehr sein, das Kaliber der neuen Waffen ist kleiner und die Munition ist daher leichter. Ein Kampfpanzer hat etwa 40 Panzergranaten an Bord. Sind die verschossen dann muss ergänzt werden.

Truppenbeladung

Ergänzungsmunition ist auf Ebene Bataillon oder Brigade verfügbar. Das ist die sogenannte Truppenbeladung. Die Munitionsmenge ist auf einen Durchschnittswert berechnet. Und jetzt muss ich lügen. Ich glaube, dieser Vorrat sollte seinerzeit für drei durchschnittliche Kampftage reichen. Aber auch diese Munition ist begrenzt.

Depot-Organisation

Danach muss durch die Logistik Munition aus Depots herangeschafft werden. Früher, also vor 1989, hatten wir dafür eine Organisation, die Munition für mehrere Monate bevorratete. Hätte man in einem Konflikt einen erhöhten Munitionsbedarf, dann hätte die Industrie etwa drei Monate Zeit, um die Produktion für militärische Munition hochzufahren. Der Transport von den Produktionsstätten zu den Depots würde nicht von militärischen Kräften, sondern wie im Frieden durch zivile Unternehmen durchgeführt.

Warum klappt das aber jetzt nicht?

Um das zu verstehen müssen wir die Entwicklungen der letzten 20 Jahre betrachten. Nach dem Ende des Kalten Krieges mit dem Fall der DDR glaubten Viele, nun sei der ewige Frieden hereingebrochen. Viele Dinge, die die Bundeswehr damals noch hatte, schienen überflüssig und wurden daher abgeschafft. Das hatte gleichzeitig zur Folge, dass der Verteidigungshaushalt zunächst deutlich schrumpfte.
Entwicklungen der letzten Jahre, wo der Verteidigungshaushalt wieder aufgestockt wurde, und trotzdem keiner weiß, wo das Geld geblieben ist, will ich an dieser Stelle nicht behandeln.
Zurück zur Munition. Da man also nicht davon ausging, dass man nochmal in einen Krieg müsse, hat man einen Großteil der Munitionsdepots eingestampft. Die sind weg, verkauft. Gleichzeitig hat man den Munitionsverbrauch für die Ausbildung kontingentiert. Die Truppe musste also zum Jahresbeginn ihren Bedarf melden. Und mehr gab es dann auch nicht. Die Bundeswehr hat also auch bei der Industrie nur noch die Jahreskontingente angefordert. Für die Industrie ist das allerdings nur ein sehr kurzer Planungshorizont.

Munitionsfabriken

Munitionsfabriken sind logischerweise Unternehmen, die nach den gleichen Prinzipien arbeiten wie jedes andere Unternehmen auch. Die produzieren nur, wenn mit den Produkten Geld zu verdienen ist. Ich weiß momentan nicht, wie viele Munitionsfabriken es in Deutschland noch gibt, Aber es sind noch einige.
Die produzieren im Frieden Jagdmunition, Munition für die Polizei und natürlich für die Bundeswehr. Sportmunition dürfte nicht der größte Posten sein. Allerdings richten die ihren Ausstoß so ein, dass sie nicht mehr produzieren, als sie auch verkaufen können.
Nach dem Kalten Krieg haben die ihre Kapazitäten deutlich zurückgefahren.

Das Problem

Im Kalten Krieg gab es für solche Unternehmen die Verpflichtung, im Verteidigungsfall die Produktionskapazitäten zu erhöhen. Natürlich kostete diese Bereitschaft auch Geld. Es mussten ja für den Fall der Fälle Ressourcen vorgehalten werden. Das Betraf sowohl Personal als auch Produktionsmittel.

Auch das gibt es nicht mehr. Allein die Personalgewinnung dürfte derzeit ein Problem darstellen. Es geht hier nämlich nicht nur um die Befähigung an sich. Das Personal muss auch noch ein Mindeststandard in Fragen Sicherheit erfüllen. Und daran dürfte es bei unseren Qualitätseinwanderern häufig scheitern. So ohne weiteres ist also eine Erhöhung der Produktion nicht möglich.

Mittlerweile sind aber gut zwei Jahre vergangen. Und nichts hat sich getan. Aber so einfach ist das nicht. Wenn sie Personal ausbilden wollen, dann benötigt das Zeit. Trotz alledem glaube ich, dass das bei den Handwaffen, also Gewehren und Pistolen, durchaus machbar wäre. Und da gibt es wohl auch keine Probleme. Bei spezifisch militärischer Munition sieht das aber anders aus. Da ist der Bedarf ja eh schon gering. Vielfach wird da die Schießausbildung schon mit Simulatoren unterstützt. Da wird im Frieden sehr wenig Munition gebraucht. Somit laufen die Produktionsstrecken noch nicht einmal durchgängig. Und das jetzt auf Zuruf hochzufahren, dürfte kaum möglich sein.

Der politische Wille

Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass die westliche Welt mehr Munition liefern könnte, wenn es gewollt wäre. Innerhalb von zwei Jahren sollte man da Möglichkeiten gefunden haben. Die Industrie will aber Zukunftsperspektiven. Die baut keine neuen Produktionsstraßen, wenn sie weiß, dass in zwei Jahren Ende ist. Das Ganz muss sich ja rechnen. Eine Munitionsfabrik ist eben nicht die Caritas. Und genau da tut sich die Politik schwer. Sie denkt nicht langfristig. Die größte Einheit für einen Politiker ist die Legislaturperiode.
Und wenn dann so eine Maßnahme auch noch Geld kostet, was man bei seinen Lieblingsprojekten einsparen müsste, dann sieht es schon einmal eng aus.

Fazit

Das Munitionsproblem der Ukraine ist nach wie vor nicht gelöst. Und die westlichen Freunde tun sich nach wie vor schwer. Ich glaube nicht, dass unsere Spezialdemokraten wirklich die Konsequenzen kennen, wenn sie sagen, die Ukraine darf nicht verlieren. Da müssten sie deutlich mehr tun. Aber an sich passiert eher das Gegenteil. Die USA und Kanada haben sich mittlerweile schon, zumindest teilweise befristet, aus der Unterstützung verabschiedet. Und wie die Länder der EU das ausgleichen wollen, das weiß der Teufel.
Für Deutschland glaube ich, dass das mit der Munitionsunterstützung genauso erfolgreich sein wird, wie die Energiewende.
Ich bin überzeugt, dass es wichtiger wäre, sich mit der Frage zu beschäftigen, was nach dem Fall der Ukraine passieren soll. Ich glaube nicht, dass die die geringste Chance auf einen Erfolg haben werden.

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