Verteidigungspolitik im Auge der Ukrainekrise

Die Wehrpflicht

„Abrüstung mit Frieden zu verwechseln, ist ein schwerer Fehler.“
Winston Churchill

Einleitung

Seit Beginn des Ukraine-Krieges rückt die Bundeswehr so nach und nach mehr in den Blickpunkt. Und ganz plötzlich spricht man wieder über Kriegstüchtigkeit. Dabei werden seitens unserer Spezialdemokraten Aussagen getroffen, wo man sich fragt, ob die überhaupt wissen, wovon sie reden. Ich will daher den einen oder anderen Aspekt aufgreifen. Derzeit habe ich drei Teile geplant. Es können aber auch mehr werden.
Was ich nicht behandeln werde, sind Fehlentscheidungen der letzten Verteidigungsminister, allesamt Ministerinnen. So hat beispielsweise von der Leine Feinstaubfilter in Panzern gefordert, dass auch schwangere Frauen keiner Gefährdung ausgesetzt sind. Als ob im Kampf Feinstaub die größte Gefahr sei. Und hat die wirklich geglaubt, die Bundeswehr würde Schwangere mit in den Kampf nehmen? Die Maßnahme war unsinnig. Teuer war sie trotzdem.
Solche Fragen werde ich nicht behandeln. Zunächst nicht. Vielleicht in einem vierten Teil. Mal sehen.

Die Wehrpflicht

In den letzten Tagen kommt immer wieder die Forderung, man müsse die Wehrpflicht wieder einführen. Aber geht das so einfach? Es gibt da nämlich eine Menge Aspekte zu beachten. Aber der Reihe nach.

Gesetzliche Grundlagen

Dass die Bundesrepublik Streitkräfte hat ist in Artikel 87a des Grundgesetzes festgelegt. Dass dafür Wehrpflichtige einberufen werden können, ergibt sich daraus nicht. Dafür gibt es das Wehrpflichtgesetz. In diesem Gesetz ist alles Ggeregelt, was die Wehrpflicht angeht. Ich möchte sie nicht mit Einzelheiten langweilen. Wen es interessiert, der kann dort alles nachlesen.
Sie werden jetzt argumentieren, man habe die Wehrpflicht doch abgeschafft. Diese Aussage ist aber leider falsch. Das Wehrpflichtgesetz ist weiterhin in Kraft und kommt bei freiwilligen Reservisten nach wie vor zur Anwendung. Die allgemeine Wehrpflicht ist aber auch nicht abgeschafft, sondern lediglich ausgesetzt. Das heißt, sie kann durch eine einfache Mehrheit im Bundestag sofort wieder eingeführt werden. Ein neues Gesetz ist definitiv nicht erforderlich. Unter juristischen Aspekten wäre das Aufleben der allgemeinen Wehrpflicht daher kein Problem.

Die Wehrerfassung

Das erste Problem taucht aber auf, wenn es um die Erfassung der Wehrpflichtigen geht. Früher hat man jeden männlichen Bürger mit Erreichen des 18. Lebensjahres für den möglichen Wehrdienst erfasst. In diesem Zusammenhang erfolgte dann in der Regel die berühmt-berüchtigte Musterung. Zuständig dafür waren die Kreiswehrersatzämter. Das waren Behörden im Amtsbereich des BMVg. Zuletzt gab es in Deutschland 52 dieser Ämter. Ich meine aber, dass es bis Ende der Siebziger weit über 100 waren. Mit der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht hat man diese Ämter aufgelöst. Eine Wehrerfassung findet derzeit nicht mehr statt. Eine Musterung schon gar nicht. Derzeit gibt es 16 Karrierecenter in der Bundeswehr. Die kümmern sich aber ausschließlich um Freiwillige.

Will man aber zurück zur allgemeinen Wehrpflicht, dann muss diese ganze Organisation für das Wehrersatzwesen wieder aufgebaut werden. Ich weiß nicht, um welches Personal es da geht. Aber es dürfte um mindestens eine mittlere vierstellige Zahl gehen. Da stellen sich dann zwei Fragen. Woher soll dieses Personal gewonnen werden? Etwa aus unseren Qualitätseinwanderern? Und dann muss man dieses Personal ja auch noch entsprechend ausbilden. Beim einfachen Angestellten dürfte das in drei Jahren zu schaffen sein. Aber die Chefs dieser Ämter waren in der Regel Juristen. Da dauert die Ausbildung dann noch entsprechend länger.

Ausbildung der Wehrpflichtigen

Natürlich muss man die Wehrpflichtigen auch ausbilden können. Da aber derzeit immer noch Grundausbildung betrieben wird, sollt das nicht das größte Problem sein. Wenn schon mal das Führungspersonal vorhanden ist, wenn auch nicht komplett, dann ist vieles machbar. Trotzdem muss für diese Ausbildungsorganisation entsprechendes zusätzliches Personal gewonnen werden. Und sie kennen ja die Personalprobleme der Bundeswehr. Die können ja jetzt schon nicht alle Stellen besetzen.
Die sich anschließende Vollausbildung, das ist dann die dienstpostenbezogene Ausbildung, findet sowieso schon in der Truppe statt. Auch das sollte zu bewältigen sein.

Die Unterbringung

Wenn ich aber Soldaten zum Wehrdienst einberufen will, dann muss ich die auch irgendwie unterbringen. Leider hat die Bundeswehr im Rahmen ihrer Verkleinerung die nicht benötigten Kasernen abgegeben. Also wohin mit den Wehrpflichtigen. Und selbst wenn Kasernen noch im Besitz der Streitkräfte sind, die müssen wieder bewohnbar gemacht werden. Das braucht Zeit und kostet Geld. Bis wir da die entsprechenden Liegenschaften hergerichtet haben, dürften mindestens fünf Jahre vergehen. Und wenn man dann noch die exorbitanten Umweltbestimmungen sieht, die gelten auch für die Bundeswehr, dann kann man sich vorstellen, wie teuer das wird. Und wir kennen ja die Probleme in der Baubranche. Dem Habeck sei Dank.

Das Ausbildungsmaterial

Wenn ich einen Panzerfahrer ausbilden will, dann brauche ich einen Panzer. Der steht allerdings der Truppe nicht zu Verfügung. Den brauche ich zusätzlich. Das gilt logischerweise auch für andere Verwendungen. Und wenn man dann sieht, dass selbst die Truppe nicht vollständig ausgestattet ist, dann fragt man sich, woher dieses zusätzliche Material kommen soll. Und da brauche ich noch nicht einmal nach Panzern schauen. Es reicht schon, wenn ich die Situation bei Gewehren, Funkgeräten usw. genauer unter die Lupe nehme. Da sieht es dünne aus.

Zusammenfassung

Was einmal kaputt gemacht worden ist, kann man so schnell nicht wieder aufbauen. Dazu müssen enorme Kräfte, aber vor allem enorme Geldmengen in die Hand genommen werden. Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, dass dazu der politische Wille wirklich vorhanden ist. Ja, es tauchen schon Überlegungen auf, das ganze wieder mit Krediten zu finanzieren. Da glaube ich aber nicht, dass man dafür Mehrheiten im Parlament findet.
Die Forderungen nach einer Wehrpflicht halte ich also für waschechten Populismus. Da wird zunächst nichts passieren. Aoso eine typische Luftnummer.

Lösungsvorschläge

Wenn man die Streitkräfte wieder „kriegstüchtig“ machen will, dann sollte man zunächst dafür sorgen, dass die derzeitigen Kräfte voll ausgestattet sind. Das dürfte schon schwer genug sein.
Im Hinblick auf die mögliche Wiedereinsetzung der allgemeinen Wehrpflicht sollte man zunächst mal mit einer flächendeckenden Wehrerfassung beginnen. Ich meine, dass das in Schweden so gemacht wird. Die ziehen zwar keine Wehrpflichtige ein, wissen aber genau, wer dafür in Frage kommt. Also, jeder Wehrpflichtige wird erfasst und gemustert. Das war es dann zunächst einmal. Ob man auch Frauen im System erfasst, darüber kann man streiten. Aber in einer Zeit, wo man Frauen in allen Bereichen gleichberechtigt haben will, sollte auch das keine Frage mehr sein.
Was dann in fünf Jahren möglich ist, bleibt abzuwarten. Eines steht für mich aber eindeutig fest. Wir haben derzeit deutlich größere und wichtiger Probleme zu lösen als den Klimawandel. Und da könnten Unmassen von Finanzmitteln eingespart werden.

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