Fehlen wirklich nur Fachkräfte?

Oder brauchen wir bald keine mehr?

„Enttäuscht vom Affen, schuf Gott den Menschen. Danach verzichtete er auf weitere Experimente.“
Mark Twain

Erinnerungen an meine Jugendzeit

Ich bin in den Sechzigern und Siebzigern groß geworden. Es war das Ende der Wirtschaftswunderzeit. Aber nach wie vor wurden Arbeitskräfte benötigt. Und sie kamen. Aus Portugal, Spanien, Italien und wer weiß woher noch. Ja , ich erinnere mich, dass es da auf dem Weg zu unserem Schrebergarten einen Wohnblock gab, da wohnten solche Gastarbeiter. Damals durfte man diesen Begriff noch verwenden. Der Wohnblock gehörte damals der Höchst AG. Und viele von denen waren in der Produktion beschäftigt. Viele von denen haben auch Schicht gearbeitet. Haben ordentlich Kohle verdient. Deutschland war damals noch Hochlohnland.
Ich wohnte damals in einem westlichen Vorort von Frankfurt. Die Höchst AG, damals hießen die noch Farbwerke Höchst und Opel in Rüsselsheim waren zwei große Arbeitgeber, die mir noch in Erinnerung sind. Opel hatte damals noch rund 80.000 Mitarbeiter. Natürlich arbeiteten die im Drei-Schicht-System.

Der Facharbeiter

Aber waren das alles Facharbeiter? Da sollten wir erst einmal definieren, was wir unter Facharbeiter verstehen. Nun, nach meinem Verständnis zeichnet sich ein Facharbeiter dadurch aus, dass er eine fundierte Ausbildung abgeschlossen hat. In der Regel dauert eine solche Ausbildung drei Jahre und endet mit einem Gesellenbrief. In den kaufmännischen Berufen heißt das möglicherweise anders, prinzipiell ist das aber das Gleiche. Darüberhinaus gibt es natürlich weiterführende Ausbildungen. Der Meister, Techniker oder der Akademiker (Bachelor- oder Master-Abschluss) mögen als Beispiel dienen. Auch im öffentlichen Dienst kennen wir vergleichbare Abschlüsse. All diese Berufe fasse ich zusammen unter dem Begriff Facharbeiter.

Und jetzt noch einmal die Frage, waren diese Gastarbeiter auch Facharbeiter? Nun der Arbeiter in der Produktion, der Bandarbeiter musste in der Regel keine besondere Qualifikation mitbringen. Er musste lang und ausdauernd arbeiten können, das war genug. Und wenn der eine oder andere sich besonders gut anstellte, konnte er als Maschinenbediener angelernt werden. Auch wenn der Begriff heute verpönt ist, dieses Heer von Arbeitskräften bezeichnete man als Hilfsarbeiter. Ich will niemanden mit dieser Begrifflichkeit abwerten, man hat sie gebraucht. Und es gibt auch heute noch Bereiche, wo man solche Arbeitskräfte benötigt. Es sind weniger geworden, weil viele dieser einfachen Tätigkeiten durch Robotik übernommen ist. Aber trotzdem.

Der Facharbeitermangel

Wann immer irgendwo in Deutschland was nicht rund läuft, schreit man, der Fachkräftemangel sei schuld. Aber greift das nicht zu kurz?

Nehmen wir mal das Beispiel an den Flughäfen. Die Corona-Maßnahmen wurden deutlich zurückgenommen. Dir Urlaubsfliegerei ging wieder richtig los. Und dann hatte man Chaos an den Flughäfen. Die Gepäckabfertigung hakte. Es gab zu wenig Leute, die die Flieger entladen und das Gepäck auf die Laufbänder gehoben haben. Und was war der Aufschrei? „Facharbeitermangel“. Ups, ich muss ja Fachkräftemangel sagen, wegen dem Gendern. Obwohl, bei diesen Kofferpackern habe ich noch nie Frauen gesehen. Haben die keine Quote?
Liebe Leute, fehlen da Facharbeiter? Nein, einen Koffer auf so einen kleinen Anhänger laden kann jeder.

Nein, nicht jeder. Cem Özdemir könnte das nicht. Erstens ist der als Veganer nicht kräftig genug, und zweitens glaube ich, dass der sogar dafür zu dumm ist. Aber das ist Spekulation.

Also, hier fehlen definitiv keine Facharbeiter. Hier fehlen einfache Arbeitskräfte, Hilfsarbeiter.

Oder schauen wir in die Gastronomie

Natürlich brauche ich da die eine oder andere Fachkraft. Fachkraft im Hotel und Gastgewerbe beispielsweise. Da geht es zum Beispiel um das Eindecken von Tafeln und solchen Dingen. Aber die Masse der Arbeitskräfte, Kellner, Reinigungskräfte usw. sind doch in der Regel ungelernte Aushilfskräfte. Auch das sind logischerweise keine Fachkräfte.

Fehlen auch Fachkräfte

Jetzt könnte man meinen, dass nur solche Hilfskräfte fehlen. Dem ist allerdings nicht so. Betrachten wir doch nur einmal den Bereich Transport. Da ging letztens die Meldung durch die Medien, dass etwa 80.000 Berufskraftfahrer fehlen. Berufskraftfahrer ist tatsächlich ein Ausbildungsberuf. Führerschein alleine reicht nicht. Und in den nächsten zehn Jahren dürften es noch viel mehr werden. Man spricht von bis zu 200.000 Facharbeitern allein im Kraftfahrwesen. Der öffentlich Nahverkehr ist logischerweise auch davon betroffen.

Auch im Handwerk fehlt der Nachwuchs. Ich weiß nicht wieviele Lehrstellen in diesem Jahr nicht besetzt werden konnten. Ich meine eine Zahl gehört zu haben, die sich im Bereich um 100.000 bewegt hat. Es könnten aber auch noch mehr sein.

Wird es besser?

Wenn wir davon ausgehen, dass so nach und nach die Baby-Boomer-Jahrgänge in Rente gehen, dann dürfte klar sein, dass sich die Lage noch deutlich verschärfen wird. In der Pflege haben wir hier schon einen erschreckenden Zustand erreicht. Das Ende der Fahnenstange ist dabei noch überhaupt nicht in Sicht.

Allerdings reduzieren viele Unternehmen derzeit ihre Arbeitskräfte. Wir gehen in eine Rezession. Aber langfristig wird das keine Entspannung bringen. Denn wenn die Wirtschaft dann wieder anzieht, dann sind ja trotzdem keine Arbeitskräfte verfügbar.

Was könnte die Lösung sein?

Tja, hier muss ich der Regierung tatsächlich mal recht geben. Ohne Zuwanderung werden wir das Problem nicht lösen. Allerdings brauchen wir eine qualifizierte Zuwanderung. Sie müssen doch nur einmal schauen, wieviele Mitarbeiter im Pflegebereich ihre Wurzeln in Polen oder Ländern der ehemaligen Sowjetunion haben.

Ich habe in meinem Bekanntenkreis eine Familie, die ihren Ursprung in Kasachstan hat. Ich hatte das Glück, mal an einer Familienfeier von denen teilzunehmen. So habe ich viele Kasachen kennen lernen dürfen. Und die hatten alle einen Job. Mit Masse waren es Facharbeiter. Ich erinnere mich noch, viele von denen waren in einem Reparaturbetrieb von Landmaschinen beschäftigt.

Und die Kinder von denen dürften heute alle eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Ein Teil von denen hat sogar studiert. Bei denen, wo ich es weiß, ist übrigens kein Gedönswissenschaftler dabei.

Und wissen sie was mich da wundert?

Jahr für Jahr kommen Flüchtlinge zu uns. Aus Afrika, aus Syrien oder Afghanistan. Und jetzt fehlen ja massiv Kraftfahrer. Die größte Flüchtlingswelle hatten wir im Rahmen der Flüchtlingskrise 2015/2016. Gehen wir von einer Ausbildungszeit von drei Jahren aus. Okay, geben wir ihnen noch ein Jahr für die Sprachausbildung. Dann müssten spätestens seit 2020 die meisten Arbeitskräfte auf dem Markt erscheinen.

Und jetzt stelle ich ihnen mal eine Frage. Haben sie schon irgendwann einmal einen Berufskraftfahrer gesehen, der aus dem afrikanisch-arabischen Raum kommt? Haben sie irgendwann einmal einen Bus- oder Straßenbahnfahrer gesehen, der aus diesem Bereich kommt? Russen habe ich da schon erlebt. Aber Araber, Afrikaner. Nein. Und da frage ich mich dann doch, wo sind die geblieben? Vielleicht sollten wir doch einmal in Berlin – Kreuzberg oder – Neukölln nachfragen.
Und ich wüsste auch nicht, dass die mit einem abgeschlossenen Beruf hierher kommen.
Im Handwerk soll der eine oder andere mittlerweile angekommen sein. Aber viele sind das nicht.

Die ukrainischen Flüchtlinge lasse ich mal außen vor. Wenn die keinen Beruf mitbringen, dann können die noch keinen Abschluss haben.

Warum finden wir diese Gruppen aber nicht auf dem Arbeitsmarkt?

Nun ja, nehmen wir doch nur einmal das Bürgergeld. Wenn sie da eine Familie mit fünf Kindern haben, dann lohnt sich das Arbeiten als Hilfsarbeiter definitiv nicht. Selbst der Facharbeiter im Handwerk muss sich strecken, um das Gleiche zu haben, wie ein Empfänger von Sozialleistungen.

Ein weiteres Problem ist aber auch die Verfügbarkeit von Wohnraum. Sie erinnern sich, die Höchst AG hatte in den Sechzigern selbst Wohnraum geschaffen für ihre Gastarbeiter. Und jetzt frage ich wieder. Kennen sie ein Unternehmen, welches noch eigenen Wohnraum unterhält? Ich kenne keines.

Zusammenfassung

Wenn über den Facharbeitermangel lamentiert wird, muss man genau aufpassen, ob es wirklich um Facharbeiter geht. Ich möchte daher auch vielmehr den Beriff Arbeitskräftemangel verwenden. Es fehlen eben nicht nur Facharbeiter.

Ja, wir brauchen Zuwanderung. Aber die Zuwanderer müssen jung sein. Es muss sich unter dem Strich lohnen, die in einem Beruf auszubilden. Der Vierzigjährige ist dafür völlig uninteressant.

Und die Zuwanderer müssen auch gewillt sein, ihren Broterwerb selbst zu bewerkstelligen. Wer das nach spätestens fünf Jahren nicht kann, der hat hier nichts verloren. Und für die, die hier geboren sind, gilt das natürlich auch.

Kann es vielleicht sein, dass wir uns die falschen Leute ins Land holen? Ich muss einmal die Nancy fragen oder die Ricarda.

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