Triage und Behinderte – das Bundesverfassungsgericht hat entschieden

Wenn jemand zu dir sagt: „die Zeit heilt alle Wunden“, dann hau ihm in die Fresse und antworte: „Warte, es ist gleich wieder gut.“
Urheber unbekannt

Seit in der Corona-Pandemie immer wieder die Intensivstationen volllaufen, wird auch das Thema „Triage“ immer wieder auf den Tisch gebracht.

Das Urteil des Bundesverfassungsgericht

Was ist also passiert. Neun schwer Vorerkrankte und Behinderte hatten Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie befürchteteten, dass für den Fall dass Intensivbetten knapp würden, sie bei der Triage benachteiligt werden könnten. Dem ist das Gericht gefolgt. Niemand dürfe wegen einer Behinderung bei der Zuteilung überlebenswichtiger, nicht für alle zur Verfügung stehender intensivmedizinischer Behandlungsressourcen benachteiligt werden. Der Bundestag muss „unverzüglich“ Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen im Fall einer sogenannten Triage treffen.

Da stellt sich mir die Frage, war das erstens ein Fall für das Verfassungsgericht, und zweitens, weiß das Verfassungsgericht überhaupt über was es da geurteilt hat.

Die Triage

Lassen sie mich also erst einmal etwas über die Triage ausführen. Die Triage ist dem Grunde nach eine Erfindung des Militärs. Stellen sie sich einfach einmal ein Infantriebataillon mit 800 Soldaten vor. Dieses wird in ein heftiges Gefecht verwickelt. Natürlich kracht es an allen Ecken. Und logischerweise kommt es zu Toten und Verwundeten. (Begriffserklärung: werden Soldaten durch kriegerische Einwirkungen verletzt, dann spricht man von Verwundeten. Für die Betroffenen macht das aber keinen Unterschied.)
Über die Toten wollen wir jetzt nicht sprechen. Die spielen bei der Triage keine Rolle.

Die Verwundeten werden jetzt aus der Gefahrenzone gerettet und zur nächsten Sanitätseinrichtung verbracht. Und wie es da dann zugeht, das kann sich heute kaum noch einer vorstellen.

Der Verbandplatz

Auf einem solchen Verbandplatz, heute heißt das meines Wissens Rettungszentrum, befinden sich nur wenige Ärzte. Und auch das restliche Personal ist nicht unbegrenzt. Wenn da fünf Verwundete gleichzeitig kommen, stellt das noch kein Problem dar. Aber in unserem Fall kommen da möglicherweise 50 oder sogar noch mehr. Und ein großer Teil hat lebensbedrohliche Verletzungen. Wenn dann aber lediglich vier Ärzte verfügbar sind (mehr sind es wirklich nicht), dann muss man schon entscheiden, wen man behandelt und wen nicht.
Ich möchte noch auf einen wichtigen Punkt hinweisen. Auf einem solchen Verbandplatz wird keiner abschließend behandelt. Man führt lebenserhaltende Maßnahmen durch, stellt die Transportfähigkeit her und verlegt ihn in größere Sanitätseinrichtungen. Das kann aber unter Umständen noch Stunden dauern. Auch auf dem Weg ins Lazarett wird der eine oder andere noch sein Leben lassen.

Das Dilemma für den leitenden Arzt

Der Chef des Ganzen steht nun vor dem Problem, dass er nicht alle Soldaten behandeln kann. Es werden sicher welche ihren Verletzungen erliegen. Also stellt sich die Frage, rette ich den einen Schwerstverletzten und nehme in Kauf, dass drei leichter Verletzte es nicht mehr schaffen. Oder rette ich die drei leichter Verletzten, und nehme in Kauf, dass der Schwerstverletzte stirbt.

Ich hatte das Glück, während meiner Ausbildung mal an einem Seminar teilzunehmen, wo es genau um dieses Thema ging. Es ist ein widerliches Geschäft, ein Tanz mit dem Teufel. Ich bin froh, dass ich niemals in so eine Lage gekommen bin.

Wie macht man das

Wenn also in einer solchen Lage eine große Zahl von Verwundeten bei der Sanitätseinrichtung eintrifft, dann steht da einer , der die Verwundeten klassifiziert. Er teilt sie ein in Leichtverletzte (brauchen keinen Arzt), Schwerverletzte (brauchen einen Arzt) und Schwerstverletzte ( werden es wohl nicht schaffen). Man markiert sie dann auch entsprechend. Ich glaube, man verwendet die Farben blau, rot und schwarz. Ganz sicher bin ich aber nicht.
Die erste Gruppe wird von Sanitätern versorgt, Blutstillung, Ruhigstellung von Knochenbrüchen, also normale „Erste-Hilfe Maßnahmen“. Und dann geht es mit dem nächsten Transportmittel in die Lazarette. Die zweite Gruppe kommt zu den wenigen Ärzten. Die führen letztendlich Maßnahmen wie ein Notarzt durch, und dann gehen auch die mit entsprechenden Krankentransportmitteln weiter.
Bei der dritten Gruppe versucht man eigentlich nur, den Übergang in den Tod so leicht wie möglich zu machen. Man verabreicht Schmerzmittel, schafft Linderung. Im Zivilen würde man da von Palliativmedizin sprechen.

Bei der Einteilung geht es definitiv nur um die Beurteilung der Überlebenschancen. Da spielt Rasse oder Religion überhaupt keine Rolle. Selbst Freund-Feind ist für das Sanitätspersonal kein Kriterium

Gibt es Bilder?

Reale Bilder von solchen Situationen sind mir nicht bekannt. Allerdings gibt es zwei ältere Spielfilme, in denen das sehr gut dargestellt wird. Im Film „Vom Winde verweht“ kommt es zu einer Szene, wo am Bahnhof von Atlanta hunderte Verwundete liegen. Und es gibt nur einen Arzt. Der tut sein Bestes, allein es ist nicht genug. Es fehlt an allem, sogar an Schmerzmitteln um den Verwundeten Linderung zu verschaffen. Das gleiche Bild im Film „Der Arzt von Stalingrad.“ Gerade in diesem Film, ja er ist schon etwas älter, wird das Dilemma des Arztes eindrucksvoll dargestellt.

In den bisherigen Einsätzen der Bundeswehr ist es glücklicherweise nicht zu solchen Notlagen gekommen. Trotzdem, die Soldaten wussten, dass so etwas passieren könnte. Daraus entwickelte sich dann ein blöder Spruch:“Krieg ist die Hölle, aber der Sound ist gut.“ Ja ein wenig Galgenhumor hat geholfen. Ich war da zeitweise mit dabei.

Gab es so etwas schon einmal im zivilen Bereich?

Hier kommt ein eindeutiges Ja! Erinnern sie sich noch an das Eisenbahnunglück Eschede? 101 Tote, 88 Schwerverletzte. Das war so eine Lage. Es kam nicht zur Triage, weil die Rettung der Verletzten aus den Trümmern sehr viel Zeit beanspruchte und Rettungsmittel aus dem ganzen Land zusammengezogen werden konnten. Trotzdem möcht ich nicht in der Haut des ersten Feuerwehrmanns vor Ort gesteckt haben.

Es gibt mit Sicherheit noch viele solcher Vorfälle, 9/11 beispielsweise, aber ich will das nicht zu weit ausdehnen.

Die Corona-Pandemie

Während der letzten zwei Jahre wurde immer wieder vor der Überlastung des Gesundheitssystems gewarnt. Immer und immer wieder drtohte man uns mit dem Überlaufen der Intensivstationen. Die Triage wurde prophezeit. Dass diese Situation zu keiner Zeit annähernd erreicht wurde, wird geflissentlich verschwiegen. Und selbst wenn, dann wären die Coronafälle nicht die Ursache dafür, schon gar nicht die Ungeimpften. Deutschland hat dreimal soviel Intensivbetten wie andere Länder der EU. Und selbst dort kam es nicht zur Triage. Ich verstehe also nicht, wie es überhaupt zu einer solchen Klage kommen konnte.

Zur Klage

Wie dem auch sei, neun Behinderte bzw. schwer Vorerkrankte haben geklagt. Es könne im Falle einer Triage zu einer Benachteiligung kommen.

Nun, für den Fall einer solchen Situation ist eine solche Entscheidung immer eine Einzelfallentscheidung. Ob der Jüngere wichtiger für den Staat ist und ob man auf den Alten oder Kranken verzichten kann, darum geht es überhaupt nicht. Es geht einzig und allein um die Frage, mit welchen Maßnahmen kann ich die meisten Leben retten. Es geht um die Frage, hat der möglicherweise schwer Lungenkranke überhaupt eine Überlebenschance. Und diese Frage muss ein Arzt dann für sich in diesem Moment entscheiden.

Da hilft ihm auch kein Gesetz mit einem Kriterienkatalog. Und auch eine Diskussion mit einem Kollegen (Vier-Augen-Prinzip) hilft da nicht weiter. Das kostet zuviel Zeit. Und in einer solchen Notlage kostet Zeitverlust eben Leben. Und ja, es ist richtig, Schwerkranke können bei einer solchen Entscheidung den kürzeren ziehen. Ihre Überlebenschance ist ja schon von vornherein geringer.
Schön ist das nicht. Aber das Leben ist nun mal kein Ponyhof. Und Notlagen sind halt nicht der Normalfall.

Was bringt uns ein Gesetz

Deutschland ist bekannt dafür, dass jeder Furz geregelt und justiziabel sein muss. Allerdings merken wir auch immer wieder, dass das zu einer ausufernden Bürokratie führt. Die ist dann nicht mehr hilfreich, sondern sie behindert eher. Dass das gerade bei Notfällen zielführend ist, glaube ich nicht.

Besser wäre es den handelnden Ärzten zu vertrauen. Auch diese unterstehen dem Grundgesetz, insbesondere dem Artikel 1 (Menschenwürde). Und sie haben den Eid des Hippokrates geschworen. Außerdem gibt es Seminare für Ärzte, die sie genau dafür schulen.

Das sollte eigentlich ausreichen. Wofür wir da noch ein Gestz brauchen, ist für mich nicht mehr nachvollziehbar.

Fazit

Dass das Bundesverfassungsgericht die Klage zugelassen hat ist für mich schon verwunderlich. Dass es hier sogar einen Handlungsbedarf erkennt, ist für mich noch weniger nachvollziehbar.
Vielleicht liegt es daran, dass man den Ärzten nicht mehr vertraut. Das wäre für mich wiederum nachvollziehbar. Denn welche Ärzte kennt denn das BVG? Das sind doch Typen wie Lauterbach und Braun. Ja, denen würde ich auch nicht mehr über den Weg trauen.

Im Anhang die Links zu den Beiträgen, die ich als Grundlage verwendet habe.

https://de.rt.com/inland/129087-bundesverfassungsgericht-gesetzgeber-muss-regeln-zur-triage/

https://www.tichyseinblick.de/meinungen/bundesverfassungsgericht-urteil-triage/

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