Wie alt will ich eigentlich werden?
„Dass Greisenalter, das alle zu erreichen wünschen, klagen alle an, wenn sie es erreicht haben.“
Marcus Tullius Cicero
Wie alt will ich werden?
Früher habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Ich habe gelebt als gäbe es kein morgen mehr. Dann habe ich irgendwann eine Familie gegründet. Spätestens mit der Geburt meiner Kinder hat sich dann mein Leben gravierend verändert. Über mein Alter habe ich mir immer noch keine Gedanken gemacht.
Heute bin ich 66 Jahre alt, habe Enkelkinder, und da stellt sich dann schon einmal die Frage, wie alt ich eigentlich werden will.
Ich will es einmal so sagen. Solange ich ein selbst bestimmtes Leben führe, solange ich körperlich in der Lage bin, ein weitestgehend unabhängiges Leben zu führen, gibt es für mich keinen Grund abzutreten. Und wenn das Hirn auch noch mitspielt, warum sollte ich mir über ein mögliches Sterbealter Gedanken machen. Der Kölner sagt, „et kütt wie et kütt“ und „et hät noch immer jot jejange“. Letztlich sehe ich das genauso.
Die durchschnittliche Lebenserwartung
Als Orientierung könnte je die durchschnittliche Lebenserwartung dienen, die regelmäßig vom statistischen Bundesamt herausgegeben wird. Die beträgt für Jungen gut 78 Jahre, für Mädchen gut 83 Jahre. Das hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Die Schwankungen bewegen sich im Bereich von wenigen Monaten. Und ob ich am Ende 78 Jahre oder 78,4 Jahre alt geworden bin, spielt eher eine untergeordnete Rolle.
Ich frage mich allerdings, woher das Bundesamt dieses Alter kennt? Gehen wir einmal davon aus, dass in einem Jahrgang etwa 1 Mio. Menschen geboren werden. Und da sagt das Bundesamt, im Schnitt werden die 80,5 Jahre alt. Woher wissen die das? Für die Durchschnittsberechnung benötige ich alle Werte der Gruppe. Die addiere ich dann und teile sie durch die Anzahl der einzelnen Werte. Das genaue Durchschnittsalter eines Geburtsjahrganges kann ich also erst ermitteln, wenn der letzte des Jahrganges verstorben ist. Für den Geburtsjahrgang 2025 weiß ich das also frühestens in 100 Jahren. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist als lediglich eine grobe Schätzung. Dieser Wert ist möglicherweise in vielen Bereichen nutzbar. Für mich ist er allerdings wenig hilfreich.
Ein weiterer Aspekt
Wenn die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer 78,4 Jahre beträgt, dann heißt das, es wird eine ganze Menge Menschen geben, die dieses Alter nicht erreichen. Genau so wird es Menschen geben, die dieses Alter deutlich überschreiten. Zu welcher Gruppe gehöre ich? Das weiß keiner. Eine Antwort darauf erhalte ich frühestens an meinem Todestag. Natürlich hoffe ich, dass es bis dahin noch ein Stück weit hin ist. Aber garantieren kann mir das keiner.
Sicher ist, dass aus meinem Jahrgang schon einige Menschen verstorben sind. Aber wer wird der nächste sein. Darüber machen solche Durchschnittswerte keine Aussage. Ich mache mich also nicht verrückt und halte es wie die Kölner.
Kann ich meine Lebenserwartung beeinflussen
Natürlich spielen viele Faktoren dabei eine Rolle. Man will uns aber immer verkaufen, dass wir mit einem gesunden Lebenswandel Lebenszeit erkaufen könnten. Dabei spielen Ernährung und Sport eine große Rolle. Ob das am Ende wirklich die erwarteten Auswirkungen hat, ist wissenschaftlich nicht belegt. Aber wenn es sie glücklich macht, dann kaufen sie halt Bioprodukte oder ernähren sie sich vegetarisch. Ich glaube nicht, dass sie dadurch ihr Leben verlängern können. Aber mein Glaube ist nicht entscheidend. Wo ich mir aber sicher bin, das Leben wird dadurch teurer. Aber wenn es sie glücklich macht, dann tun sie es halt.
Aber will ich das überhaupt
Diese sogenannten gesunden Lebensweisen beruhen häufig auf Verzicht. Weniger Zucker, weniger Fleisch, weiniger Alkohol, weniger – ich weiß nicht was sonst noch. Und da stellt sich mir dann die Frage, ob das für mich überhaupt noch Leben ist. Wie gesagt, ich bin jetzt 66, habe ein leichtes Übergewicht, vielleicht bin ich unter medizinischen Aspekten sogar adipös. Ich habe aber nicht die Absicht, jetzt mit Verzichten anzufangen. Ich werde nicht auf Fleisch verzichten. Und wenn mir danach ist, dann geht auch ein Stück Frankfurter Kranz. Obwohl ich weiß, dass zu viel Zucker bei mir Sodbrennen verursacht, verzichte ich nicht auf meine Weingummis. Auch nicht auf Lebkuchen zu Weihnachten. Denn gegen Sodbrennen gibt es Talcid. Verzicht ist also gar nicht notwendig. Und sollte mich überraschend noch eine Lactose-Intoleranz ereilen, das ist im Alter durchaus möglich, auch dafür gibt es Medikamente. Verzicht tut also überhaupt nicht not.
Jetzt gibt es aber Leute, die behaupten, dass ich mit einer gesünderen Lebensweise möglicherweise vier Jahre älter werden könnte. Auch hier die Frage, will ich das? Ich merke schon jetzt, dass ich deutlich abbaue. Natürlich kann ich noch mit meinen Enkeln auf dem Boden rumrutschen. Allerdings fällt mir es immer schwerer, wieder hochzukommen. Dieser körperliche Abbau ist durch nichts rückgängig zu machen. Und ob er zu verlangsamen ist, ist leider auch nicht bewiesen. Wenn ich mir also vorstelle, wie ich mit 80 Jahren alt und klapprig durch das Leben gehe. Und dann stelle ich mir vor, ich könnte durch jahrelangen Verzicht noch vier Jahre hinten dranhängen. Ich gewinne also nur Jahre, in denen ich noch klappriger bin. Darauf kann ich gut verzichten. Ich genieße mein Leben bis zum Schluss. Und darauf einen Dujardin.
Zusammenfassung
Wenn mich also einer fragt, wie alt ich werden wolle, dann nenne ich ihm kein Alter. Ich sage viel mehr, es kommt auf mich persönlich an. Ein selbst bestimmtes und weitestgehend unabhängiges Leben möchte ich haben. Und dabei spielt ein Alter überhaupt keine Rolle. Die Einschulung meiner Kinder würde ich noch gerne erleben. Auch meine goldene Hochzeit würde ich noch gerne feiern. Zehn Jahre sind es noch bis dahin. Das sollte auch möglich sein. Mit dem Schulabschluss der Enkel wird es schon schwieriger. Da müsste ich für den letzten Enkel schon deutlich über 80 werden.
Also nochmals den Kölner: „et kütt, wie et kütt.“
Und heute Abend noch eine Pulle Wein. Holla, die Waldfee.