Warum erschrecken uns die Corona-Toten so sehr? – Teil 2 –

Träume, als lebtest du ewig – lebe, als stürbest du heute.
James Dean (Filmschauspieler)

Was ist Leben. Die Beantwortung dieser Frage hat im Schwerpunkt zwei Dimensionen, eine medizinische und eine philosophische.
Der Gesetzgeber hat sich für eine medizinische Definition entschieden. Er sagt, solange das Gehirn eine Funktion zeigt, lebt der Mensch. Diese Funktion kann man in einem EEG (Elektroenzephalografie) testen, dabei werden die Hirnströme aufgezeichnet. Für die Frage, wann man im Falle einer Organspende diese entnehmen darf, mag diese Definition ausreichen. Zur Beantwortung der Frage, wann man bei einem Schwerstverletzten oder schwer Erkrankten die lebenserhaltenden Maschinen abschaltet, reicht diese Definition nicht aus.

Ich könnte jetzt tonnenweise Literatur wälzen, aber ich bin mir sicher, dass ich auch dann keine eindeutige Antwort finden würde. Also verlasse ich mich wieder einmal auf meinen Verstand. Ich behaupte immer, ich hätte einen gesunden Menschenverstand. Aber die Bewertung dieser Aussage ist philosophischer Natur.

Was steht fest. Im Artikel 1 des Grundgesetzes steht, „Die Würde des Menschen ist unantastbar…“. Daran hat sich unser ganzes Handeln zu orientieren.

Dieser Artikel steht aber nicht nur für das Leben, sondern auch für das Ableben. Und wenn ich dann erfahre, wie mit Sterbenden umgegangen wird, wie krampfhaft versucht wird, diese am Leben zu erhalten, dann frage ich mich, was das mit Menschenwürde zu tun hat. Oder hat ein Sterbender oder Verstorbener keinen Anspruch auf Menschenwürde?

Was ist also für mich Leben. Um die medizinische Definition aufzugreifen heißt für mich leben nicht, ich habe noch Hirnfunktionen. Für mich heißt leben vielmehr, ich habe noch ein funktionierendes Gehirn. Ich habe ein Bewußtsein, das mich in die Lage versetzt, Gefühle und Wünsche zu äußern. Das muß nicht zwingend durch Sprache geschehen. Ich bin noch in der Lage mein Leben selbstbestimmt zu gestalten.
Selbst Menschen mit einem geistigen Handicap (ist das politisch korrekt?) können das.

Menschen mit fortgeschrittener Demenz können das definitiv nicht mehr. Auch für Koma-Patienten gilt dieses. Allerdings muß hier entschieden werden, ob ein selbstbestimmtes Leben nach dem Aufwachen aus dem Koma noch möglich ist. In der Medizin ist bekannt, dass nach einer langen Koma-Phase schwere Hirnschäden zurückbleiben. In solchen Fällen ist die schwere Entscheidung zu treffen, ob die Maschinen abgeschaltet werden. Einen Menschen in einer solchen Situation mit Gewalt am Leben zu halten, ihn nach mehreren Monaten aus dem Koma zurückzuholen, um dann festzustellen, dass er nur noch vor sich hinvegitiert, das ist für mich ein Verstoß gegen die Menschenwürde.

Leben heißt für mich Freiheit. Ich kann aktiv am Leben teilhaben. Ich muß auf Dinge, die mir lieb sind, nicht verzichten. Im Rollstuhl wäre ich zwar eingeschränkt, könnte aber immer noch ein eigenständiges Leben führen.

Anders wäre das für mich, wenn ich Dialysepatient würde. Ich weiß, jeder denkt hier anders, und das ist gut so. Es hat aber auf der anderen Seite keiner das Recht, den Willen eines Betroffenen in Frage zu stellen.

Also abhängig zu sein von einer Dialyse wäre für mich der Beginn von Siechtum. Mindestens 2 mal die Woche Dialyse, der Tag danach ist auch ein gebrauchter. Was übrig bleibt ist Verzicht, sonst muß ich noch häufiger dahin.
Wenn ich mich dann entscheide, meinem Leben, was in meinen Augen ja schon keines mehr ist, ein Ende zu setzen, dann erwarte ich, dass man meinem Willen Respekt zollt und mich gehen läßt.

Ähnlich sehe ich das auch bei älteren Menschen, die bekanntlich zur Corona-Risikogruppe gehören. Wenn die Oma ihre Enkel sehen will, wenn sie mit ihnen kuscheln will, dann gibt es keinen Grund, ihr das zu verbieten. Das Risiko ist ihr bekannt, und sie kann doch wohl selbst entscheiden, ob sie das Risiko einer Infektion eingeht.
Sicherlich sind in Gemeinschaftsunterkünften andere Maßstäbe anzulegen, aber bei den heutigen Schnelltests, sollte es doch möglich sein, dieses Risiko zu beherrschen.
Während der Pandemie wurde immer wieder betont, man müsse die Alten schützen. Schön und gut, aber hat irgendeiner die Alten gefragt, ob sie das möchten. Für viele von diesen war die Isolation das Ende ihres Lebens. Dazu passt das folgende Zitat sehr gut.

„Leben, das ist das Allerseltenste in der Welt – die meisten Menschen existieren nur.“
Oscar Wilde (Schriftsteller)

Zum Abschluß möchte ich noch einmal das Grundgesetz heranziehen.
Im Artikel 2 steht dort geschrieben: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt…“

Für mich heißt das, ich entscheide auch selbst, welche Risiken ich eingehe. Das gehört auch zum Leben. Fallschirmspringer, Motorradfahrer usw. tun das auch, jeden Tag. Raucher und Trinker wissen inder Regel auch, dass sie dadurch Risiken eingehen. Solange dadurch andere nicht gefährdet werden, gibt es aber keinen Grund, irgendetwas einzuschränken.
Für Corona-Zeiten bedeutet das: eine Maske schützt mich vor den anderen. Wer also Angst hat, sich bei anderen anzustecken, soll eine Maske tragen. Bei wem die Angst noch größer ist, der soll von mir aus zuhause bleiben. Er hat das Recht, sich so zu entscheiden. Aber keiner soll mir vorschreiben, wie ich mich zu verhalten habe.

Dass es besondere Regelungen beim Besuch unterschiedlicher öffentlicher Liegenschaften gibt, wird hier nicht in Frage gestellt. Hier gilt das Hausrecht.

Dass man mir aber vorschreibt, im Park eine Maske zu tragen, das halte ich schon für ziemlich dreist! Und dann tun unsere politisch Verantwortlichen noch so, als wollten sie doch nur das Beste für uns. Bitteschön, dann fragt mich doch mal, was das beste für mich ist.
Übrigens, argumentieren sie mal gegenüber Ihren Kindern, ich will doch nur das beste für euch. Ich kenne die Reaktion. Leider sind viele in der Regierung kinderlos.

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